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Zeitgeschichte

Es hat seinen ganz besonderen Reiz, die Zeit, die man einst als junger Mensch erlebt hat, jetzt, im Alter, von einem kundigen Historiker erzählt zu bekommen. Heinrich August Winkler stellt im dritten Band seiner „Geschichte des Westens, Vom Kalten Krieg zum Mauerfall“, die schwierigen Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Er schildert die wachsenden Spannungen zwischen Ost und West, den Zusammenbruch der Kolonialreiche Englands und Frankreichs und schließlich das Ende des Sowjetimperiums. Meine zum Teil nur vagen Erinnerungen daran werden durch Winkler nicht nur wieder aufgefrischt, sondern auch korrigiert. Bei der Lektüre ist mir als vermeintlichem „Zeitzeugen“ klar geworden, wie wenig ich damals von den Hintergründen der politischen Aktionen gewusst und verstanden habe. Erst jetzt z. B. erfahre ich Genaueres über die furchtbaren Gräuel im Algerienkrieg. Mit Händen zu greifen sind die Entsprechungen zwischen dem aktuellen russischen Expansionsstreben und den Aktionen von Stalin und Chruschtschow. Sie hatten keine Hemmungen, Staaten (wie etwa Ungarn oder die Tschechoslowakei) mit üblen Methoden zu annektieren. Winkler stellt die Ereignisse nicht nur chronologisch dar, er macht auch ihre Gleichzeitigkeit deutlich. Das gelingt besonders eindrucksvoll bei der Schilderung der Verflechtung des Suez-Kriegs mit der ungarischen Revolution des Jahres 1956, die wiederum eine Folge der Entstalinisierungskampagne Chruschtschows war. Ähnlich spannend zu lesen sind die Versuche der Sowjet-Führer, den Viermächtestatus Berlins zu untergraben. Die Kuba-Krise steht mir wieder vor Augen, Die weltweiten Aktionen im Rahmen der „68er-Bewegung“ lassen an eine Zeit denken, die auch in den Schulen zu heftigen Auseinandersetzungen geführt haben – für einen jungen Lehrer wie mich eine faszinierende Erfahrung. Winkler erzählt höchst lebendig. Man darf auf den vierten Band gespannt sein, der bis in die Gegenwart führt.

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Griechende

Zum griechisch-europäischen Finanzstreit ist schon fast alles gesagt. Wir haben ein neues Wort gelernt, Grexit. Damit wird etwas bezeichnet, das angeblich niemand will, den Ausstieg der Griechen aus dem Euro-Raum. Wir wissen, wie viele Schulden sie haben, weit über 300 Milliarden Euro. Das kann man sich als normaler Gehaltsempfänger nicht vorstellen. Wir verstehen, dass den Griechen das Sparen weh tut, wir verstehen aber nicht, warum ihre reichen Reeder so gut wie keine Steuern zahlen müssen. Wir finden die neue griechische Regierung entweder cool oder unverschämt. Die Abschaffung der Krawatte durch deren Spitzenleute könnte stilbildend wirken. Dass einige Griechen die Deutschen gerne als Nazis beschimpfen und böse Witze über Merkel und Schäuble machen, das ärgert uns, auch wenn wir das Handeln des deutschen Staates gegenüber Griechenland in den 1940er Jahren noch so verabscheuen. Dass die Hellenen milliardenschwere Wiedergutmachung wollen, können wir irgendwie nachvollziehen, aber dass sie ihre eigenen Schulden bei uns erlassen haben wollen, mögen wir nicht gutheißen. Der griechische Niedergang tut uns Leid, die steigende Zahl von Suiziden finden wir schlimm, aber wir können nicht immer den Gedanken ausschalten, dass die Verantwortlichen in Griechenland daran zu einem großen Teil selbst schuld sind. Darunter leidet leider die ganze Bevölkerung. Aber die Parteien und Regierungen Griechenlands wurden vom griechischen Volk gewählt, nicht vom deutschen.

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Beinarbeit

Die Hamburger Wahl am 15. Februar hat der FDP ein paar Punkte „gegen den Abstieg“ verschafft. Das löst beim politischen Gegner alte Reflexe aus. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, muss das gute Ergebnis mit unlauteren Mitteln zustande gekommen sein. Man habe, so wird geunkt, die FDP wegen Frau Suding und nicht wegen des FDP-Parteiprogramms gewählt. Da fragt sich Häckerling, ob Olaf Scholz am letzten Sonntag nur wegen des großartigen SPD-Programms gewählt worden ist. Und wie war das bei der Bundestagswahl mit Merkel und der CDU? Angela M. wurde doch wohl eher trotz als wegen des reichlich dubiosen christdemokratischen Wahlprogramms zur Gewinnerin. Der kleine FDP-Erfolg hat einen kleinen badischen Grünen rot anlaufen lassen. Er twitterte sich in eine sexistische Rage. Sein offenbar vom Karneval benebeltes Gehirn verleitete ihn zu einer hirnlosen und ruppigen Attacke auf die Hamburger FDP-Spitzenkandidatin. Wie gut, dass bald Aschermittwoch ist, damit der Mann wieder zur Besinnung kommt. Um es mit der am Fastnachtsdienstag gebotenen Klarheit zu sagen: Frau Suding wurde nicht nur wegen ihrer formschönen Beine gewählt, sondern vor allem wegen ihres liberalen Kopfes. Ihre grünen Kritiker sollten sich den Wut-Schaum vom Mund wischen, damit dort wieder Platz für den Schaum eines Bieres ist. Die Fastenzeit beginnt erst am Donnerstag. Ob die FDP überlebt, wird sich zeigen, aber wir dürfen auch gespannt sein, wann sich die Grünen überlebt haben werden.