Es lassen sich gewiss Gründe formulieren für den Nichtbau von Stuttgart 21. Es hat was Beruhigendes, wenn alles beim Alten bleibt, wenn die Züge am Kopf des Bahnhofs halten, der Zugführer sein Vesper nimmt und den Bahnsteig entlang trottet zum Schwanz seines Zuges, der nun zum Kopf wird. Man kann auch die frische Luft der Bahnsteige schätzen, vor allem im Winter, wenn man auf verspätete Züge wartet. Es gibt sicher noch manches andere Triftige vorzubringen gegen einen unterirdischen Bahnhof. Die Vertreter dieser Stuttgarter Bewegung haben nun unerwartete Hilfe von höchster Stelle bekommen. Rechtzeitig vor dem Kirchentag ist ihnen eingefallen, dass ja auch der Ahnherr der Christen, Jesus aus Nazareth, sich gegen Stuttgart 21 ausgesprochen hätte („Jesus würde oben bleiben“). Entsprechende Aufkleber und Flugblätter sind vorbereitet, damit die Protestanten aus ganz Deutschland endlich wissen, wogegen sie protestieren müssen – gegen einen Bahnhof, den Jesus mit Grausen betrachtet hätte. In der Tat, im alten Palästina gab es, im Gegensatz zu heute, noch keine unterirdischen Gänge. Jesus musste mit seinen Jüngern zu Fuß nach Kapernaum und an den See Genezareth. Sogar vor der Bergpredigt war ein Fußmarsch angesagt. Unterirdisch fahrende Züge, schon der Gedanke daran ist für einen wackeren S-21-Gegner und frommen Christen eine Gotteslästerung. Gut lutherisch steht er und bleibt er oben, er kann nicht anders.
Monat: Mai 2015
Am heutigen Himmelfahrtstag, den viele nur als Vatertag kennen, sei an eine Meldung vom Anfang der Woche erinnert: Die grün-rote Regierung im Lande Baden-Württemberg will die muslimischen Feiertage aufwerten. Angehörige dieser Religion sollen künftig befugt nicht zur Arbeit erscheinen, aber nur, wenn sie einen Gottesdienst besuchen möchten. Das ist sehr nett, aber ein wenig halbherzig. Es fehlt der Aspekt der Gerechtigkeit. Schließlich ist bei uns an allen Sonntagen, Weihnachten, an Karfreitag und Ostern, an Himmelfahrt, Pfingsten und örtlich sogar an Fronleichnam frei für die arbeitende Bevölkerung, auch für die Muslime. Daher muss man die Sache gründlicher anpacken. Warum ergänzen wir unsere religiöse Sonn- und Feiertagssammlung nicht generell um muslimische Feste und erklären auch die zu generell arbeitsfreien Tagen, also alle Freitage, den Ramadan, das Opferfest, um nur ein paar zu nennen? Mit dieser Erhöhung der freien Tage ergäben sich ganz neue Chancen für Brückentage. Eine Woche hätte dann allenfalls vier Arbeitstage. Streiks würden weniger stören, weil eh frei wäre. Weitere Möglichkeiten ergäben sich, wenn wir auch noch die jüdischen Feiertage einbezögen. Auch der hier einst abgeschaffte Buß- und Bettag könnte reaktiviert werden. Im Winter ist viel zu wenig freie Zeit. Man muss schließlich an die kontinuierliche Auslastung der Hotels denken.
Kinderquäler
Die Gewerkschaft mit dem Namen eines italienischen Opernkomponisten erzeugt Misstöne. Sie steuert auf einen „Erzwingungsstreik“ hin. Dieses Kompositum (Grundwort: Streik, Bestimmungswort: Erzwingung) hat eine brutale Strahlkraft. Wer etwas erzwingen will, muss Zwang anwenden, also Gewalt, aber wem wird hier Gewalt angetan? Angeblich sollen die Städte und Gemeinden dazu genötigt werden, den Forderungen der Gewerkschaft zu willfahren. Die Opfer des Streiks sind aber nicht die öffentlichen Arbeitgeber, deren Mitarbeiter arbeiten unbehelligt weiter, sondern es sind Unbeteiligte, Eltern und ihre kleinen Kinder. Die Väter und Mütter sollen Urlaub nehmen und auf eigene Kosten ihre Kinder hüten, damit die eigens dafür bezahlten Aufpasserinnen von der Arbeit des Betreuens freikommen und, ohne einen Finger zu rühren oder allenfalls eine rote Trillerpfeife zu betätigen, die Erfüllung ihrer Forderungen erzwingen können. Wenn jemand einem anderen Gewalt antut, um von einem Dritten etwas zu bekommen, dann nennt man das Geiselnahme. Die gilt in unserem Land bisher als strafbare Handlung. Aber den Gewerkschaften ist hierzulande offenbar alles erlaubt. Notabene: Gerne soll man die Gehälter der Kita-Mitarbeiterinnen erhöhen, die Eltern werden eine Tarifanpassung schlucken, aber die Forderung einer anderen Laufbahneinordnung ist unbillig. Die bekommen andere auch nur, wenn sie entsprechende höhere Qualifikationen vor- oder nachweisen können. Wer fällt den Verantwortlichen dieser Operngewerkschaft in den Arm?