Zeitgleich zum Terrorakt gegen eine Satirezeitschrift ist 2015 in Frankreich ein Roman erschienen, der dort den Titel „Soumission“ trägt und im Deutschen „Unterwerfung“ überschrieben ist. Im Arabischen gibt es dafür das Wort „Islam“. Der Autor, Michel Houellebecq (gesprochen „Wellbeck“), erzählt, wie sich bei einer der nächsten Wahlen zum Staatspräsidenten die politische Linke und die Mitte mit dem Kandidaten der Muslimbrüder verbünden, um den Front National, die extreme Rechte unter Marine Le Pen, zu verhindern. Es gelingt, der Muslimkandidat gewinnt. Anschließend krempelt er die Gesellschaft um. Die Frauen haben sich künftig „züchtig“ zu kleiden und den Haushalt zu führen, die Kinder müssen weniger lernen, Liberale und andere „Atheisten“ verschwinden aus der Öffentlichkeit, Europa verlagert sein Zentrum in den Süden und wird um Staaten wie Marokko, Tunesien und Algerien erweitert. Der Roman ist eine „Utopie“, eine politische Vision, ein Gedankenspiel, das so nie eintreten wird. Oder doch? Wenn ich höre, dass ein türkischer Diktator nicht nur im eigenen Land gegen politische Gegner vorgeht, sondern erwartet, dass auch wir uns seinem „Kampf“ gegen die Opposition anschließen und ihm alle Kurden und Gülen-Anhänger auf dem Tablett servieren, dann stellt sich mir die Frage, ob auch wir hier uns auf dem Weg zur „Unterwerfung“ befinden. Wehe, wir spielen das türkische Spiel mit. Dann verraten wir vollends jene Prinzipien, auf denen unsere Demokratie beruht. Hier gilt die Meinungsfreiheit, auch wenn wir eine Meinung nicht teilen. Wer sich aber rechtswidrig verhält, wer wie die Erdenwahn-Anhänger mit illegalen Mittel gegen Erdenwahn-Gegner zu Felde zieht, muss mit juristischen Mitteln zur Vernunft gebracht werden. Wir dürfen uns nicht unterwerfen. (Der Roman wird beim nächsten Abend des Sindelfinger Literaturklubs, am 19. September 2016, ausführlich besprochen.)
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