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Vera

An den Ergebnissen der internationalen Vergleichsstudie PISA konnte man noch herummäkeln, weil sie ein „falsches“ (als nicht das deutsche) Bildungskonzept vertrete. Da ließ sich von der Illusion leben, bei anderer Fragestellung würde man besser abschneiden. Diese Argumentation klappt bei VERA (dem Kürzel für „Vergleichsarbeit“) nicht. Der Test ist hausgemacht und eine rein deutsche Angelegenheit. Wer dort schlecht abschneidet, ist „schlecht“ – will sagen: die Schülerinnen und Schüler sind nur zum Teil in der Lage, das dort geforderte Niveau zu erreichen. Die Kultusministerin von BW muss nun zugeben, dass genau das für die Drittklässler des Landes zutrifft. Ein Drittel erreicht laut VERA 3 die Mindestanforderungen nicht, ein weiteres Drittel gerade mal so. Das dritte (oder nennen wir es lieber das erste) Drittel schafft das, was man von einem Kind der dritten Klasse schulisch erwarten darf. Das Ergebnis bestätigt, was man schon länger ahnte und auch von der Qualitätsstudie des IQB (Institut für Qualität im Bildungswesen) schon weiß: Baden-Württembergs Schüler sind auf Leistungstalfahrt. Was tun? Die Ministerin will die Stunden für den Fremdsprachenunterricht der Klassen 1 und 2 künftig für Deutsch und Mathematik verwenden. Das wird nicht reichen. Die Menge des Unterrichts ist selten das Problem, es geht um dessen Qualität. Die aber hängt von der Qualität der Lehrerausbildung ab. Man muss es mal aussprechen: Offenbar haben die Pädagogischen Hochschulen nicht das geleistet, was man von ihnen erwarten muss. Auch sie sollten mal in sich gehen und nicht immer nur in Richtung gymnasialer Lehrerausbildung expandieren wollen. Immerhin haben laut der VERA-8-Untersuchung im letzten Jahr neun von zehn Gymnasiasten das Ziel erreicht.

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Oberstufenreformreform

Was den Protestanten mit der Reformation nicht gelingt – sie als Prozess zu verstetigen –, das schafft die baden-württembergische Schulverwaltung locker: die Oberstufe ständig zu reformieren. Als die „Reformierte Oberstufe“ einst (in den 1970er Jahren) in die Fläche ging, hatte die Erstauflage keine lange Laufzeit. Bald wurden die Möglichkeiten, Fächer in fünfstündigen Leistungskursen zu kombinieren, eingeschränkt. Alle zwei, drei Jahre drehte man an Stellschrauben. Bald überblickten nur noch die Spezialisten (die Oberstufenberater) den Stand der Dinge und irgendwann hatte man die Nase voll von den Grund- und Leistungskursen und erfand die vierstündigen „Schwerpunktkurse“ und „Neigungskurse“. Allerdings mussten und müssen dabei Deutsch und Mathematik auch ohne jede Neigung besucht werden. Sie gehörten, fanden die Schulpolitiker, zur Grundbildung, der sich kein Schüler entziehen dürfe. Aber nun geht die Zeit dieser vierstündigen Kurse zu Ende. Heute kündigt das Kultusministerium in der Presse eine neue Reform der Oberstufe an. Es soll wieder fünfstündige Leistungskurse geben. Davon verspricht man sich eine Leistungssteigerung beim Abitur. Häckerling konstatiert, dass man sich in der Schulpolitik mal wieder von Strukturveränderungen Besserung verspricht. Dabei weisen die Bildungsforscher seit Jahren gebetsmühlenartig darauf, dass die Schulstruktur kaum einen Einfluss auf die Leistungen der Schüler hat. Die lassen sich nur mit einem besseren Unterricht steigern. Wann endlich werden die Verantwortlichen auf jene hören, die sie dafür bezahlen, dass sie ihnen sagen, was zu tun ist? Aber Änderungen des Systems fallen offenbar leichter als Änderungen im Unterrichtsalltag.

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Reformationsbier

Wenn dieser Redensart tatsächlich eine reale Möglichkeit zugrunde läge, würde er sich im Grab herumdrehen und damit sein Missfallen über das Reformationsgedenken 2017 bekunden. Aber Luther ist schon zu Staub zerfallen und kann sich nicht mehr wehren. Daher übernimmt Häckerling diese Aufgabe, wenigstens ein bisschen. Nicht dass ich dagegen wäre, dass wir uns an die Reformation erinnern. Sie darf nie aufhören, wenn das reformatorische Wort noch gilt, dass die Kirchen sich ständig zu reformieren haben. Dazu gehört auch, finde ich, dass sie sich überlegen, ob ihre heutige Struktur, ihre „Verfasstheit“, ihr Anspruch und vor allem ihre Verkündigung noch dem entsprechen, was die Welt, in der sie sich bewegen und die (mit) zu gestalten ihr Auftrag ist, von diesen christlichen Kirchen erwartet. Aber was tut die protestantische Kirche derzeit? Sie stellt Äußerliches in den Vordergrund. Sie lässt Münzen prägen und Briefmarken drucken, sie vermarktet Orte touristisch, wo Luther mal einen Fuß draufgesetzt hat – und das im deutschen Osten, der sich durch seinen Verzicht auf jegliches Christentum ganz besonders auszeichnet. Das Wesentliche der Reformation lässt sich nicht an Orten erkennen, es spielt sich im Kopf ab. Aber landauf, landab wird nach lutherischem „Vorbild“ gespeist – dabei hat sich der Reformator eher ungesund ernährt. Heute entnehme ich der örtlichen Presse, dass ein Luther-Bier kreiert worden ist – als ob des Reformators Trinkgewohnheiten ein Modell für die Zukunft sein könnten. Aber Hauptsache, der Dekan kommt mal wieder mit Bild in die Zeitung. Wichtig ist offenbar nur noch, dass man als protestantische Kirche mit der katholischen medial Schritt hält. Ob man so, um es lutherisch auszudrücken, einen gnädigen Gott bekommt? Und ob sich mit Bier, Essen, Münzen, Briefmarken und Tourismus die Welt bessert, das bezweifle ich.