Das Thema hat Häckerling schon mehrfach beschäftigt, der Unterrichtsausfall. Heute rücken ihn die Stuttgarter Zeitungen mal wieder ans Tageslicht. Dabei wird ein Aspekt deutlicher sichtbar als bisher: Es gibt keine verlässlichen Zahlen. Daher zählen alle, die zählen können: die Eltern, vermutlich auf der Grundlage dessen, was ihnen die Kinder erzählen, die Elternbeiräte, auf der Grundlage von Elternzählungen, die Zeitungen, auf der Grundlage von Angaben, die man halt so bekommt. Auch das Ministerium zählt. Aber was eigentlich? Es gibt keine kontinuierlich erhobenen Daten über den Unterricht, weder den gehaltenen noch den ausfallenden, den verlegten oder vertretenen Unterricht. Es gibt nur Stichproben, die man natürlich „hochrechnen“ kann. Das Problem ist einfach zu beschreiben: Es fehlt ein Instrument, mit dem man täglich den aktuellen Stand der Unterrichtsversorgung automatisch messen könnte. An seiner Herstellung ist man bisher gescheitert wie auch an der berühmten Lernplattform Ella, die es, wenn überhaupt, erst in einigen Jahren geben wird. Es wird also noch für längere Zeit beim Erfassen des Unterrichts den Streit um Zahlen geben, von denen jeder behauptet, sie stimmten. Das tun sie natürlich nicht. Sie sind „gegriffen“, zu hoch oder zu niedrig. Aber dieser Streit um Kaisers Bart findet nur ein Ende, wenn die Schulen das bekommen, was seit Jahrzehnten als Stein der Weisen durch die Schulgebäude purzelt, aber noch von keinem gesichtet wurde: die Lehrerreserve. Auch die wird es in absehbarer Zeit nicht geben, denn um eine Reserve zu bilden, muss man erst die „Sollstärke“ erreichen. Aber die gibt es noch nicht. Es fehlen dazu die Menschen – vgl. den letzten Blogeintrag.
Monat: September 2018
Fehlende Menschen
Eigentlich sind wir viele. Überall tummeln sich Menschen, in den Einkaufsmeilen, auf den Festplätzen, an den Urlaubsorten. Immer hat man den Eindruck: Es sind zu viele. Dabei sind es zu wenige. Jedenfalls klagen viele Berufszweige über einen Mangel an Arbeitskräften. In den Krankenhäusern gibt es zu wenig Pflegepersonal, in den Kitas mangelt es an Erzieherinnen, an den Schulen, insbesondere den Grundschulen, fehlen Lehrkräfte. Es fehlt der Nachwuchs an Pfarrern und an Verwaltungsbeamten, an Hebammen und Hausärzten. Anträge an die Verwaltung bleiben zu lange liegen. Kinder müssen im Krankenhaus zur Welt kommen. Arztbesuche unterbleiben – zu wem soll man gehen? Und nun auch noch die Industrie. Sie verfehlt ihre Ziele, weil es an Mitarbeitern fehlt. Der Mangel an Arbeitskräften sei eine Wachstumsbremse, heißt es. Was nun? Überall ist es voller Menschen, aber bei der Arbeit fehlen sie. Seit Jahren liegt die Forderung nach einem Einwanderungsgesetz auf dem Tisch. Natürlich wird es nie in Kraft treten, denn es würde bei den „Deutschen“ die Angst schüren, dass sie vor lauter Fremden ihre Identität verlieren. Es gebe doch genug Arbeitslose. Doch die gibt es schon lange, sie werden zwar weniger, aber den Arbeitskräftemangel können sie offenbar nicht beheben. Irgendwie sollten wir uns entscheiden: Entweder leben wir mit dem Mangel an arbeitenden Menschen, schränken uns ein, kurieren und unterrichten uns selbst und lassen die Industrie dorthin ziehen, wo es Arbeitswillige gibt. Oder wir laden „Fremde“ ein, zu uns zu kommen und bei uns zu arbeiten, uns zu pflegen, zu hüten, uns zu verarzten.
Maßlose Koalitionsrettung
Es ist Lehrstück für politisches Handeln. Ein Beamter, den die Regierung eingesetzt hat, der Präsident des Verfassungsschutzes, hat sich durch absichtliche oder unabsichtliche unangemessene Äußerungen in die Nesseln gesetzt. Er hat in der Regierung Anhänger (den Innenminister) und Gegner (die Sozialdemokraten), er könnte die Regierung zum Bersten bringen, egal ob er bleibt oder nicht. Also muss er zwar weg, aber nicht so, dass sein Minister-Freund dadurch politisch beschädigt wird. Die Lösung: Er kommt weg, bleibt aber doch da. Künftig darf Herr Maaßen seinem Fan, dem Minister S. dienen. Ganz nebenbei verdient er auf dem Posten einiges mehr. Eine geniale Lösung. Rechtlich ist sie einwandfrei, denn eine Regierung darf ihre leitenden Beamten nach Belieben heuern und feuern. Trotzdem ist das Verfahren bedenklich. Denn entweder hat der Beamte einen Fehler gemacht – dann müsste das beamtenrechtliche Folgen (Disziplinarverfahren) haben – oder sein Tun war makellos, dann gibt es keinen Grund, ihn zu versetzen, und er könnte erfolgreich dagegen klagen. Maaßen ist ein Beispiel dafür, dass man versagt und doch nicht versagt hat. Er lebt von einem Paradoxon: Er hat dumm dahergeredet, aber was er sagte, finden manche klug. Da liegt es wirklich nahe, diese Kompetenzen politisch zu nutzen. Als Staatssekretär kann er künftig Kluges oder Dummes sagen, Hauptsache, er redet seinem Chef nach dem Munde. Der einfache Beamte (zum Beispiel der Lehrer) lernt daraus, dass einem Ochsen (ihm, dem normalen Staatsdiener) noch lange nicht erlaubt ist, was Zeus (hier: Maaßen) sich herausnehmen darf. Der Ochse würde diszipliniert, Zeus wird honoriert.