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Kontrollierte Gesellschaft

Wenn niemand etwas von sich verbergen kann, gibt es keine Verbrechen mehr. Wenn überall Kameras stehen und das Treiben der Menschen festhalten, herrscht Ruhe und Ordnung. Wenn die Krankengeschichten aller Menschen auf einem zentralen Rechner gespeichert sind, kann man die Daten gründlich auswerten und Krankheiten mit mehr Erfolg behandeln. Wenn politische Fragen von allen Internet-Benutzern digital entschieden werden, wird die Gesellschaft demokratischer – alle können unmittelbar mitbestimmen. Wer diesen Sätzen zustimmt, für den wäre der „Circle“ das Richtige. Dave Eggers‘ Roman (Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2014) bettet die Vision eines kontrollierten Staatswesens in eine spannende Geschichte. Die junge Mae Holland bekommt dank des Einflusses ihrer Freundin Annie eine Stelle im Internet-Konzern „Circle“. Sie arbeitet sich rasch von einer bloßen Sachbearbeiterin hoch zu einem Mitglied des Leitungsteams. Mae ist überzeugt von den Unternehmenszielen: möglichst viele Daten von allen Menschen zu erfassen, die Privatsphäre abzuschaffen, für die Transparenz aller politischen Entscheidungsprozesse zu sorgen. Dafür bringt sie gerne Opfer. Sie nimmt die Entfremdung von ihren Eltern hin und lässt es zu, dass ihr alter Freund Mercer in den Tod getrieben wird. Mercer und andere, auch Circle-Mitarbeiter, stellen sich den totalitären Bestrebungen entgegen. Aber die Macht dieser Datenhaie – ein Bild, das der Roman plastisch ausmalt – ist nicht mehr zu brechen. Dave Eggers hat in dieser Dystopie eine Welt beschrieben, die nicht mehr fern zu sein scheint. In seinem Roman ist es nicht (wie in Orwells „1984“) der Staat, der nach Allmacht strebt, sondern eine Privatfirma. Wir dürfen dabei an Google denken. Das Buch sollte zur Pflichtlektüre werden.

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