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Jammernde Reifeprüflinge

In zwei Bereichen kann man den baden-württembergischen Abiturienten des Jahrgangs 2018 die Reife schon mal zuerkennen: im Jammern und in der Nutzung von Online-Petitionen. Das schriftliche Abitur in Englisch sei zu schwer gewesen. Nicht den üblichen Sachtext habe man ihnen vorgelegt, sondern einen lyrischen. Darauf habe man sich nicht vorbereitet. Da fragt sich Häckerling, ob in der gymnasialen Ausbildung Lyrisches überhaupt nicht vorkommt, nicht im Englischen, nicht im Deutschunterricht, der „Umgang“ damit also tatsächlich eine Zumutung darstellt. Eine im Reifeprozess befindliche Petitionistin beklagt, sie habe so viele „Worte“ nachschlagen müssen. Abgesehen davon, dass es sich wahrscheinlich um Wörter gehandelt hat, frage ich mich, was am Nachschlagen so schlimm ist. Ganz früher musste man Prüfungen ganz ohne die Hilfe von Wörterbüchern absolvieren. Aber in dieser in der Tat grauen Vorzeit hatte das Abitur noch einen hohen Anspruch. Das Ministerium hat die Petition zurückgewiesen. Es verweist darauf, dass in Mecklenburg-Vorpommern der gleiche Text verwendet worden sei, ohne Proteste. Aber die Vorpommern liegen ja auch im Schulranking deutlich (sechs Plätze) vor den Württembergischen. Ein zweiter Hinweis des Ministeriums: der Text sei vom IQB empfohlen worden, also jener Institution, die sich um die Messung der Qualität von Deutschlands Schulen kümmert. Mein Vorschlag: BW sollte aus dieser Qualitätsbeobachtung austreten und seinen eigenen Schulweg gehen. Falls der ins Abseits führt, kann man immer noch überlegen, wie man sich dem Mainstream der Unterrichtsqualität wieder angleicht.

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Kursstufenplan

Das Kultusministerium Baden-Württembergs baut wieder einmal die gymnasiale Oberstufe um, zum wer weiß wievielten Mal seit den späten 1970er Jahren. Die neuerliche Änderung hat die KMK ausgelöst; sie war mit der jetzt geltenden Regelung nicht einverstanden, vor allem weil es da keine Leistungskurse mehr gibt. Die werden nun wieder eingeführt, heißen aber „Leistungsfächer“. Ein Fortschritt? Doch was fortschreitet, ist nicht immer fortschrittlich. Das sieht, wer einen Blick auf das Fach Deutsch wirft. Das muss derzeit von allen Schülerinnen und Schülern belegt werden, und zwar vierstündig. Und alle müssen sich im Abitur in Deutsch schriftlich prüfen lassen. Künftig kann es (wieder einmal) „abgewählt“ werden. Wer nach dem neuen Konzept z. B. Englisch („fortgeführte Fremdsprache“) und Biologie („Naturwissenschaft“) und dazu Sport („frei wählbar“) als fünfstündige Leistungsfächer wählt, für den sinkt Deutsch in der Kursstufe zum dreistündigen „Basisfach“ ab. Es wird im Abitur entweder schriftlich oder mündlich geprüft. Die schriftliche Prüfung müsste im Basisfach Deutsch „leichter“ sein als im Basisfach, denn man hat da acht Stunden weniger als im Leistungsfach Deutsch. Die mündliche Prüfung würde 20 Minuten dauern, „bestehend aus 10 Minuten Vortrag und 10 Minuten Kolloquium“. Dafür gäbe es 20 Minuten „Vorbereitung“. Wie man in 20 Minuten einen zehnminütigen Vortrag vorbereiten soll, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Auch kann ich nicht erkennen, wie diese Konstruktion eine Qualitätssteigerung im Fach Deutsch bewirken soll. Die Leistungen in diesem Fach sind schon jetzt beklagenswert. Aber offenbar sind die Klagen darüber es nicht wert, in die Ohren der Verantwortlichen zu dringen.

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Abiturdefekte

Auch früher gab es Fehler beim Abitur. Ich kann mich an so manche hektische Telefonaktionen zu Oberschulamtszeiten erinnern. Morgens um sieben wurde man um die Korrektur von Zahlen in Mathematikaufgaben, um Ersetzung von Vokabeln in den Fremdsprachentexten und um die Verbesserung von Angaben in den naturwissenschaftlichen Fächern gebeten. Es hat mit dem Verbessern immer geklappt, wenn auch mit erhöhtem Adrenalinspiegel der Beteiligten. Legendär ist die Geschichte von der undichten Stelle bei der privaten Druckerei, die mit der Vervielfältigung der Abituraufgaben betraut war. Plötzlich waren sie bekannt. Man musste die Aufgaben für die Nachtermine nehmen, mit der Folge, dass der schließlich dritte Aufgabenaufguss (der für die Nachschreiber) in seiner Qualität sehr zu wünschen übrig ließ. Das Zentralabitur auf Landesebene ist eine logistische Herausforderung. Dass solche Systeme fehleranfällig sind, kann niemand wundern. Ein bundesweites Zentralabitur wäre es noch mehr. Über einiges beim Abitur 2017 muss ich mich aber schon wundern: dass 18 Schulen trotz einer Aufforderung der Schulverwaltung eine Änderung der Aufgaben nicht registriert und umsetzt, müsste genauer untersucht werden. Wollten sie nicht oder konnten sie nicht? Aber warum nicht? Liest man dort grundsätzlich nicht, was vom RP kommt? Merkwürdig ist auch die Diebstahlanfälligkeit mancher Schultresore. Es gäbe sicher welche, die man nicht so leicht knacken kann. War man bei der Anschaffung zu naiv oder zu sparsam? Beides ist eigentlich inakzeptabel. Für die Ruhe der Prüflinge und ihrer Lehrkräfte müsste man schon ein paar Euro übrig haben.