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Befremdlich

Dass der Mensch die Gewohnheit seine Amme nennt, formulierte Schiller bereits im „Wallenstein“. Der spielt im Dreißigjährigen Krieg. Damals gab es nicht nur viele Tote, sondern auch reichlich Flüchtlinge, die aus ihren gewohnten, vertrauten Verhältnissen herausgerissen wurden. Mitte des 17. Jahrhunderts war Mitteleuropa ziemlich entvölkert. Jetzt hat man hierzulande Angst vor dem Gegenteil. Man klagt über ein Zuviel an Fremden. Sie seien gefährlich, sie bedrohten unsere gewohnte Kultur, sie nähmen uns etwas weg, sie kosteten viel Geld, das an anderer Stelle fehle. Im Übrigen kämen sie nur aus wirtschaftlichen Gründen. Ergo: Sie sollen gefälligst dort bleiben, wo sie herkommen, und unser gewohntes Leben nicht beeinträchtigen. Aber sind nur die Fremden aus Afghanistan, Syrien, Afrika, dem Balkan etc. eine Bedrohung für unser vertrautes Lebensglück? Wenn Häckerling den autochthonen Württemberger spielen würde, könnte er auf so manche Fremdlinge hinweisen, die im Lauf seines Lebens die heimische Kultur aufmischten. Als er noch zur Schule ging, wurde sein Heimatdorf von fremd anmutenden Nachkriegsflüchtlingen aus dem Osten „überschwemmt“. Schon deren Namen waren so merkwürdig! Von den 200000 Ungarnflüchtlingen der 1950er Jahre landeten Tausende im Südwesten. Es trafen etliche Millionen „Gastarbeiter“ ohne Deutschkenntnisse bei uns ein. Immer größer wurde die Zahl der DDR-Bürger, die aus überwiegend wirtschaftlichen Gründen zu uns „rüber machten“. Und dann noch diese Mengen von „Deutschstämmigen“, die aus Russland oder dem Banat zu uns strömten. Viele von diesen „Deutschen“ beherrschten die deutsche Sprache nicht. Und dann auch noch die Millionen von Türken, die bei uns auftauchten. Was ich damit sagen will? Wir erleben derzeit nichts Neues. Es mag eine Herkulesaufgabe sein, die vielen Menschen zu registrieren, zu versorgen, unterzubringen, zu verteilen, zu integrieren, zu beschulen, aber wer wirtschaftlich eine Großmacht ist und sich entsprechend aufspielt, sollte es auch administrativ sein.

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Urteilsschelte

In der Diskussion über die Ursachen der Flüchtlingszunahme wird immer wieder auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2012 hingewiesen. Das sei ein großer Fehler gewesen. Es habe die Bundesrepublik zu einem attraktiven Ziel für Fremde gemacht. Was ist damals eigentlich geschehen? Sozialgerichte hatten sich mit Klagen wegen unzureichender staatlicher Leistungen für Asylbewerber herumzuschlagen und haben sich Rat suchend an das oberste Gericht gewandt. Dort stellte man fest, dass die geltenden Regelungen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien. 1993 hatte man ein Gesetz geschaffen, das Asylbewerbern deutlich weniger staatliche Unterstützung zusprach als zum Beispiel den anderen (jetzt nach Hartz IV) Unterstützten. Es sollte „abschrecken“. Das hat es wohl auch getan. Doch das Grundgesetz sieht keinen Unterschied zwischen den einheimischen und den zugewanderten Menschen vor. Es geht dort um die „Würde des Menschen“ und nicht um „die Würde des deutschen Menschen“. Jeder habe ein Recht auf ein „menschenwürdiges Leben“, sagte unser höchstes Gericht damals. Auch die beiden Kirchen äußerten sich bei der Anhörung in diesem Sinne. Der Staat sei verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dieses Leben ermöglicht werde. Was tun, wenn plötzlich so viele ein menschenwürdiges Leben bei uns wollen? Vielleicht sollten jene, die in diesen Wochen auf das BVG schimpfen, einmal deutlich sagen, was sie wollen. Das Grundgesetz ändern? Die Sozialleistungen für alle senken? Flüchtlinge mit Wasserwerfern und Pfefferspray nach Österreich zurücktreiben? Militärisch in den Syrienkrieg eingreifen? Den Balkan aus der EU werfen? Wieder Mauern errichten?

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Überforderung

Überforderung

 

Wenn sich ein Schüler nur unzureichend auf eine Prüfung vorbereitet hat, nimmt es nicht Wunder, dass er sich überfordert fühlt. Seine Klage über die schwierigen Aufgaben ist subjektiv durchaus berechtigt. Der Begriff „Überforderung“ sagt etwas aus über den, an den Forderungen gestellt werden. Ob eine Forderung berechtigt ist oder nicht, hat nichts mit dem Adressaten zu tun. Derzeit melden viele, dass sie überfordert seien: die Kommunen, die Landkreise, die Bundesländer, der Innenminister. Der für Flüchtlinge Zuständige hat das Handtuch geworfen. Auch er fühlte sich mutmaßlich überfordert. Bei schulischen Prüfungen hat man meistens eine zweite Chance. Mit besserer Vorbereitung lassen sich die Forderungen leichter erfüllen. Die überforderten Gemeinwesen bekommen sie nun auch. Ungarn, Kroaten und Slowenen halten die Flüchtlinge auf und helfen damit den überforderten Deutschen. Vielleicht merken die Migranten bald, dass es in Syrien, dem Irak, in Afghanistan, in Gambia und Mali, in den Massenlagern des Libanon und der Türkei viel schöner und vor allem sicherer ist als im ungastlichen Europa. Der Satz ist natürlich ironisch gemeint. Und auch der folgende: Warum soll man im Mittelmeer ertrinken, im Niemandsland des Balkan an Erschöpfung sterben oder Opfer eines Brandanschlags in Deutschland werden, wenn man auch in der Heimat sterben kann? Ergo: Wenn die Forderung der Unterbringung wegfällt, mindert sich auch die Überforderung. Wie schön für uns!