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Deutsch

Kaum einer Aussage wird weniger widersprochen, als der, dass die Integration der Fremden ohne Deutschkenntnisse aussichtslos sei. Das wissen wir seit Jahrzehnten. Trotzdem gibt es immer noch Migranten türkischer Provenienz, Frauen vor allem, die in der deutschen Sprache wenig oder gar nicht zu Hause sind. Es wird meines Erachtens höchste Zeit, dass Deutschland sich dazu durchringt, bestimmte staatliche Leistungen vom Spracherwerb abhängig zu machen. Ohne Gesetzeszwang wird sich da nur wenig tun. In einem Kommentar auf Spiegel-Online war dieser Tage zu lesen, dass es noch eine andere Baustelle gibt: Die Bundesländer seien dabei, den schulischen Teil der Flüchtlingsintegration in den Sand zu setzen. Es gebe zu wenig Deutschklassen und zu wenig Lehrkräfte dafür. Der Grund: Geldmangel. Der Bund könnte zwar Mittel zuschießen, aber die Länder Bayern und Baden-Württemberg würden sich „aus Prinzip“ gegen diese Finanzhilfen aussprechen. Mein Eindruck ist, dass die hiesige Schulverwaltung zu langsam agiert. Vielleicht ist sie sich der Herausforderung noch gar nicht bewusst. Immerhin will der Herr Minister Stoch nun Pensionäre mit der Fakultas Deutsch anschreiben und sie dazu bewegen, Unterricht in Flüchtlingsklassen zu übernehmen. Ich sage „immerhin“, weil mein vor Wochen an das KM gerichtete Angebot, meine Kompetenzen als ehemaliger Schulleiter, Seminarleiter und Deutschlehrer einzubringen, zunächst mit dem Vermerk „kein Bedarf“ abgelehnt wurde. Aber nun, so scheint es, steigt der Druck im Kessel.

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Versager

Wer laut ruft „Ich bin überfordert“, findet traditionell mehr Beachtung, als jener, der seine Aufgaben ohne Murren erledigt. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Viele Kommunen und Landkreise kommen bei der Flüchtlingsunterbringung ihren Pflichten vorbildlich nach. Die Aufgabe ist groß, manchmal scheint sie nicht lösbar, manchmal haben die Verantwortlichen schlaflose Nächte, aber „sie schaffen es“ doch. Andere erheben ein Geschrei, schreiben Briefe an Frau Merkel oder ergehen sich in Wehklagen. Dabei fehlt es Ihnen vermutlich nur an Tatkraft und Weitblick, an planerischer und organisatorischer Kompetenz oder einfach an Ideen. Vielleicht wollen sie ihre Aufgaben auch gar nicht erfüllen. Klagen ist einfacher, da hat man den propagandistischen Mainstream der Online-Foren an der Seite. Oder man verweist auf das Kippen einer Stimmung, zu dem man nach Kräften selbst beiträgt. Das regionale Versagen hat seine Entsprechung auf den höheren politischen Rängen. Die gut bezahlten Vordenker im Innenministerium haben die Zeichen der Zeit zu spät wahrgenommen. Die neuen Bundesländer dürfen sich immer noch im postkommunistischen Nationalgefühl suhlen. Und erst manche „Europäer“! Sie halten ständig die Hand auf, aber sie haben nicht den Hauch einer Orientierung am europäischen Wertesystem. Europa steht als Mitverursacher vieler Krisen in der Verantwortung, aber es nimmt sie nicht wahr. Wenn man auf die Amerikaner blickt, könnte einem die Galle aus der Blase laufen. Sie vor allem haben uns die Suppe eingebrockt und sperren sich nun gegen das Auslöffeln. So sind die Neunmalklugen hier, die sich in Verweigerung ergehen („Warum sollten wir …?“), in „guter“ Gesellschaft. Eine Allianz von Versagern!

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Über-Überdruss

Allüberall wimmelt es derzeit an „Über“-Wörtern. Kaum ein Leserbrief kommt ohne sie aus. Es gibt zum Beispiel, nach Meinung mancher Schreiber, die Gefahr der „Überislamisierung“. Mit der bloßen Islamisierung könnten sie offenbar noch leben. Dann lese ich von der drohenden „Überfremdung“ Deutschlands. Das ist vermutlich so zu verstehen: Man wird Deutschland nicht mehr erkennen, weil es bald total fremd aussieht. Die Fremden, gemeint sind die Schutzsuchenden aus aller Welt, werden das deutsche Gesicht bis zur Unkenntlichkeit entstellen. Es ist erstaunlich, was man ihnen zutraut. Über das Wort „Überforderung“ hat sich Häckerling schon ausgelassen. Es dürfte zum „Wort des Jahres“ werden. Überhaupt: „Über“ ist ein Steigerungswort: mäßig – übermäßig. Ohne Superlative geht es derzeit nicht. Wir haben nicht nur volle, sondern „überfüllte“ Flüchtlingsunterkünfte. Wir haben Aufgaben zu schultern, die nach Meinung einer festgestellten Mehrheit, die mit der deutschen Einigung verbundenen Herausforderungen übertreffen. Es sei die größte Herausforderung der Nachkriegsgeschichte, heißt es. Überfällig ist meiner Meinung nach die Auseinandersetzung mit einer anderen Herausforderung: der Übertreibung. Gefragt ist die Versachlichung der Diskussion. Wenn man liest, was die Mehrheit in den Online-Foren schreibt, könnte man sich übergeben. Da übertreffen sich die Hasserfüllten und Überängstlichen in Formulierungen, die einem Angst machen können. Diese Menschen haben einfache Lösungen („Grenzen schließen“, „Merkel absetzen“, „Asylrecht abschaffen“) und beklagen überlaut, dass sie nicht sofort umgesetzt werden. Und die Übereifrigen mit ihrer Willkommenskultur? Für die sich geistig überlegen dünkenden Skeptiker und Hassprediger sind das gefährliche Deppen. Ich dagegen möchte gerne in einem Land leben, wo man mit nüchternem Realismus über die Probleme redet und das Nötige tut, sie zu lösen. Wäre Deutschland so, würde es mich freudig überraschen.