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Vorteilsannahme

Deutschland macht sich auf der globalen Korruptionsliste eigentlich ganz gut. Es liegt noch vor Großbritannien, den USA, Frankreich und Österreich auf dem 12. Platz. Aber was gut ist, kann ja noch besser werden. Auch die Stadt Stuttgart will nun ihren Teil dazu beitragen. Dort soll die Obergrenze von 15 € fallen. So viel darf bisher ein Müllmann als Dank für gute Dienste annehmen, unter der Voraussetzung, dass er den Betrag in die Gemeinschaftskasse gibt. Nun soll diese Grenze fallen bzw. auf Null gesetzt werden. So wird auch der letzte Anschein von Korruption vermieden.

Wenn das Schule macht, wird es auch für Lehrer eng. Auch dort ist die Annahme von Geschenken im Prinzip untersagt. Allerdings wird eine Gabe, die den Wert von 10 € nicht überschreitet, als Bagatelle empfunden und disziplinarrechtlich nicht verfolgt. Was darüber liegt, ist geeignet, den Verdacht der „Vorteilsnahme“ oder -annahme zu erwecken. Allerdings kann die Schulleitung weiterhelfen, indem sie die Annahme von etwas noch Wertvollerem erlaubt.

Was nun? Kann, was dem Müllmann verboten ist, der Lehrerin erlaubt werden? Das wäre sozial keineswegs ausgewogen, zumal es bei den Lehrkräften nicht der Brauch ist, „Trinkgelder“ in die Gemeinschaftskasse zu geben. So viel Gemeinschaft gibt es in Lehrerzimmern nicht.

Es gibt nur zwei Lösungen: Entweder gilt in diesem unserem Musterländle die Null-Toleranz-Grenze bei der Geschenkannahme für alle staatlichen oder städtischen Bediensteten oder es gibt auch künftig eine Bagatellgrenze. Ich bin für Letzteres. Worin soll die Bestechung liegen, wenn der Müllmann 5 € in die Hand gedrückt bekommt oder die Lehrkraft am Ende des Schuljahrs einen Blumenstrauß der Elternvertreterin der Klasse?

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Die Lehrer und das Leben

Da hat er mal eine richtige Erkenntnis gehabt, der Minister Stoch, und jetzt fallen sie über ihn her. Dabei wollte er doch nur zum Ausdruck bringen, dass Lehrer nicht betriebsblind sein sollen, sondern den Betrieb in den Betrieben kennen sollen. Anders gesagt: Sie sollen eine Ahnung davon haben, wie es im realen Leben zugeht, auf dass sie ihren Schülerinnen und Schülern davon anschaulich berichten können. Dass es nichts schadet, die Arbeitsbedingungen einer Logistikfirma oder eines Bauunternehmens zu kennen, dass es von Nutzen ist, über die Tätigkeit von Putzkolonnen, Erdbeerpflückern oder Verwaltungsbeamten, von Menschen am Band oder am Tresen, von Bankern oder Managern, von Sozialarbeitern, Politikern und Journalisten, Wissenschaftlern, Sportlern und Schauspielern, Architekten und Ärzten Bescheid zu wissen.

Aus diesem Grund verlangt man schon seit Jahren von den künftigen Lehrern, auch denen am Gymnasium, lieber Herr Stoch, dass sie ein soziales oder betriebliches Praktikum abgelegt haben, ehe sie sich für das zweite Staatsexamen melden.

Und dann habe ich noch eine Bitte um sprachliche Genauigkeit an den Minister. Wenn man den Text des Artikel in den Stuttgarter Nachrichten für authentisch nehmen darf, dann hat Stoch gesagt, bei den Lehrern solle das „Verständnis für die Wirtschaft“ wachsen. Aber darum geht es nicht, sondern es geht um das „Verstehen“. Das aber bekommt man nicht dadurch, dass man „einen Betrieb von innen sieht“. Dazu muss man einiges lernen, Betriebs-, Volks- und Finanzwirtschaftliches und auch etwas Soziologie. Damit könnten „Betriebsblinde“ zu Sehenden werden. Derlei Kundige stünden den Schulen in der Tat wohl an.

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Lehrerstatusspiele

Einen kleinen Aufreger hat die FDP in ihren Freudenstädter Leitantrag zur Bildungspolitik eingebaut. Am 9.10.10 wurde als Punkt 89 beschlossen:

„Bei der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern soll künftig ein stärkeres Gewicht auf der Beruflichkeit liegen. Die fachliche Komponente der Qualifikation sollte dabei separat verwendbar sein, z.B. auch zur Arbeit außerhalb der Schule befähigen. Umgekehrt muss auch in höherem Maße dafür gesorgt werden, dass fachlich ausgewiesenen Personen aus der Wirtschaft der Einstieg in den Lehrerberuf ermöglicht wird. Wir brauchen eine leistungsorientierte Bezahlung von Lehrern, eine höhere Flexibilität bei der Einstellung, auch Teilzeitlehrer und stundenweise Lehrbeauftragte. Bei der Einstellung von Lehrern gilt, dass künftig auf die Verbeamtung verzichtet werden soll.“

Neben dem schönen Wort „Beruflichkeit“, womit man wohl ausdrücken möchte, dass ausgebildete Lehrer auch in anderen Berufen verwendbar sein sollen (was sie schon sind), enthält der Abschnitt ein Plädoyer für Seiteneinsteiger aus der Wirtschaft (die gibt es, aber einfach ist es für sie nicht), für eine „leistungsorientierte Bezahlung“ (und wie soll die Leistung gemessen werden?), für „Flexibilität bei der Einstellung von Lehrern“ (einverstanden), also „Teilzeitlehrer“ (die gibt es reichlich) und „stundenweise Lehrbeauftragte“ (eine merkwürdige Formulierung) – und dann folgt das Hämmerchen: „dass künftig auf die Verbeamtung verzichtet werden soll“.

Und warum? Hier schweigt der Leitantrag beredt. Sind Angestellte billiger? Nein, sind sie nicht, allenfalls im Ruhestand. Sollen die Lehrer künftig streiken dürfen? Dann sagt es doch. Unterrichten Angestellte besser als Beamte? Wohl kaum. Warum dann diese Forderung?

Im Punkt 39 wird bemerkt, dass „Strukturdebatten … wenig hilfreich, meist sogar kontraproduktiv“ seien. Wenn das so ist, liebe FDP, dann lass doch lieber die Finger von dieser Debatte über den Lehrerstatus.

(Blog-Eintrag Nr. 220)