Kategorien
Politik

Unnötiges Schulfach

Die Suchtbeauftragte des Bundes macht sich Sorgen um die Jugend und die Zunahme süchtiger Verhaltensweisen. Das ehrt sie. Aber ihr Vorschlag, zur Lösung des Problems ein neues Schulfach einzurichten, hat zu Recht wenig Zustimmung gefunden. Allerdings wird so getan, als geschehe in dieser Frage alles Nötige. Das stimmt nicht. Weder die Schule noch die Eltern tun genug.

In Baden-Württemberg gibt es seit dem 13.11.2000 eine Verwaltungsvorschrift zur Suchtprävention in den Schulen. Darin wird auf die steigenden Gefahren durch Suchtmittelmissbrauch hingewiesen, die Notwendigkeit von „Erziehung im Sinne einer Lebenshilfe“ betont und „das Eingehen auf die persönlichen Sorgen und Nöte“ der Kinder und Jugendlichen als Aufgabe der Schule herausgestellt. Suchtprävention könne sich nicht in der Vermittlung von Informationen erschöpfen, vielmehr müsste der „Aufbau von lebensbejahenden Einstellungen und Verhaltensweisen“ und die „innere Festigkeit und persönliche Stabilität“ der jungen Menschen gefördert werden. Und dann der Kernsatz: „Suchtvorbeugung ist somit eine Aufgabe für jede Lehrerin und jeden Lehrer.“ Sie alle sollen selbstbewusste und belastbare Schülerinnen und Schüler heranbilden. Tun sie das?

Leider steht der Hinweis auf die Verantwortung der Eltern an anderer Stelle. Das ist bedauerlich; denn dieses Ziel kann nur durch eine gute Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule und eine Abstimmung der Erziehungsvorstellungen erreicht werden.

Es gibt nämlich, was die Belastbarkeit der Kinder und Jugendlichen angeht, ein Problem. Viele Eltern halten ihre Kinder für zu sehr belastet und fordern Entlastung. Da gibt es allerlei zu beobachten: Mütter tragen ihren Kindern die Schultasche oder Vergessenes hinterher, sie klagen wegen zu vieler Hausaufgaben oder wegen der Zumutungen von G 8, sie wollen ihnen die Fahrt im Schulbus ersparen und holen sie daher mit dem privaten PKW von der Schule ab, sie nehmen ihnen die Auseinandersetzung wegen ungerechter Noten ab und streiten lieber selbst mit den Lehrern herum, sie entschuldigen das flegelhafte Verhalten ihrer Kinder und schieben die Gründe für deren Fehlverhalten der Schule zu, sie muten ihnen das Essen im Schullandheim nicht zu und geben ihnen stattdessen Leckereien mit, sie rufen sie ständig auf ihren Handys an und meinen, das sei fürsorglich, sie geben ihnen zu viel Taschengeld und sie trauen sich nicht, Nein zu sagen, weil sie die Proteste der Kinder nicht aushalten, kurz: Manche Eltern fördern nicht die Frustrationstoleranz, sondern bauen sie ab. Möglicherweise trägt das auch zur Zunahme des Suchtverhaltens bei.

Und die Schule? Sie muss die einzelnen Schülerinnen und Schüler stärker in den Blick nehmen und auffällige Verhaltensweisen – also nicht erst notorisches Suchtverhalten – registrieren und den Eltern gegenüber thematisieren. Dazu gehört viel Mut, gewiss, denn manche Väter und Mütter mögen es gar nicht, wenn man Kritisches über ihr Kind sagt. Aber ohne den Mut, sich gemeinsam den Problemen der Entwicklung zu stellen, wird es keinen Fortschritt bei der Suchtprävention geben.

Kategorien
Politik

Unliebsame Langsamkeit 1: S 60

Der Aufbau Ost war im Vergleich zum Aufbau des Kreises Böblingen offenbar ein Klacks. Dort hat man in zwei Jahrzehnten jede Menge Autobahnen und Schienenstränge, Raststätten und Bahnhöfe gebaut, aber auch Kirchen und Adelssitze saniert. Dazu kann man nur gratulieren. Die neuen Bundesländer haben in kurzer Zeit allerhand Neues bekommen.

Hierzulande dagegen – im Kreis Böblingen – gibt es eine Bundesstraße 464, die im Nichts endet. Nur ein paar einsame Brückenbauwerke stehen in der Landschaft: Symbole des Stillstands. Hierzulande – im Kreis Böblingen, wie gesagt – gibt es auch eine S-Bahnlinie, deren Name (S 60) etwas Futuristisches an sich hat. Es ist auch eine Bahn im Futur: Eines Tages wird sie kommen. Aber wann? Sie lässt bereits Jahrzehnte auf sich warten.

Schon in den 1970er Jahren war die Aussicht auf einen S-Bahn-Anschluss ein verlockendes Argument für unsere Familie, in den Sindelfinger Stadtteil Hinterweil zu ziehen. In den 1980er Jahren hat sich so mancher Lehrer mit der Aussicht auf einen S-Bahnhof in der Nähe an das Gymnasium Unterrieden locken lassen. Doch die Bahn kam nicht; sie hatte offenbar Verspätung. Sie hat sie immer noch.

Nun aber sollte es ernst werden: Ende 2010 würde, so hieß es, die Verbindung Böblingen-Renningen, die S 60 also, ihren Betrieb aufnehmen. Ein Traum des letzten Jahrtausends würde endlich in Erfüllung gehen. Und tatsächlich geschah etwas: Die alten Schienen wurden herausgerissen, neue angebracht. Auch eine Oberleitung entstand. Güterzüge begannen die Strecke zu nutzen. Und dann?

Dann verödeten die Baustellen. Irgendwann erfahren wir den Grund: Es werde nichts mit der ersten S-Bahn-Fahrt zum Fahrplanwechsel 2010. Es gebe noch einige Planungsprobleme. Da fragt man sich: Was haben die Verantwortlichen in den letzten 40 Jahren eigentlich gemacht?

Doch es gibt wohl zu viele Verantwortliche. Keiner hat die Verantwortung richtig. Keiner kann daher zur Rechschaft gezogen weren. Der Aufbau BB wird noch lange dauern.

Kategorien
Politik

Unkorrekte Schreibung 2: Komma vor Infinitiv

Schon im ersten Eintrag mit dieser Überschrift habe ich darauf hingewiesen, dass wir alle nicht fehlerfrei schreiben, auch der Verfasser dieses Textes nicht. Heute (am 13.07.09) bestätigt ein Artikel in der lokalen Zeitung diese These eindrucksvoll. Da es sich um interessante Fehler handelt, seien sie durch einen Blog-Eintrag gewürdigt. Ich erlaube mir dabei, die geltenden Regeln in Erinnerung zu rufen.

In einem Bericht mit der Überschrift „Viele Wege führen zum Verstehen“, in dem es um Lerntypen bei Kindern geht, finden wir eine reichhaltige Verwendung von Infinitiv-Konstruktionen, davon allein fünf mit der Form „um … zu“. Einmal steht ein Komma davor, in den vier anderen Fällen nicht. Welche Schreibung ist richtig? Die mit Komma. Also brauchen die folgenden Sätze ein Komma: „Manch einer redet gerne über ein Thema, um es zu verstehen.“ Oder: „Der dritte Denktyp muss eine Situation erleben, um ein Gefühl dafür zu bekommen.“ Im Rahmen der Rechtschreibreform von 2006 wurde festgelegt, dass vor Infinitiv-Gruppen mit „um … zu“, „ohne … zu“, „anstatt .. zu“ ein Komma zu stehen hat.

Manche Kinder brauchen Bewegung während des Lernens. Im Artikel wird von einem solchen Kind berichtet: „Das ständige Hampeln und Stören des Unterrichts sei seine Art gewesen die Informationen zu verarbeiten.“ Diese pädagogisch interessante Aussage wäre korrekt geschrieben, wenn hinter „gewesen“ ein Komma stünde. Denn eine andere Regel besagt, dass vor Infinitiv-Gruppen dann ein Komma zu setzen ist, wenn sie von einem Substantiv (hier „seine Art“) abhängen. Im genannten Text finden wir dazu noch ein weiteres Beispiel, leider ebenfalls ohne Komma: Das visuell denkende Kind hat beim Memory „keine Probleme, die richtigen Paare zu finden.“ Hier hängt der Inifinitiv vom Wort „Probleme“ ab.

Das Positive zum Schluss. Der Verfasser hat an zwei Stellen das Komma richtig gesetzt, wo so manche ihre Schwierigkeiten haben. Für solche zum Beispiel, die das Problem haben, beim Lernen Bewegung zu brauchen, „sei es nützlich, sich mit einem Kaugummi … eine Ersatzbewegung zu schaffen.“ Und überhaupt „sei es wichtig, ausreichend Erholungspausen beim Lernen zu haben.“ Beide Male muss vor den Infinitiv-Gruppen ein Komma stehen, weil im Satz davor ein „es“ steht, ein vorausweisendes Wort also. Das könnte auch „damit“ oder „darauf“ oder „davon“ sein.

Fassen wir zusammen: Manche haben Probleme damit, die Kommas beim Infinitiv richtig zu setzen. Sie kommen nicht darum herum, sich die geltenden Regeln einzuprägen, um die Kommas richtig zu setzen. Die Wege, dies zu lernen, sind verschieden.