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Vergnügt oder genügsam

Berlin sei arm, aber sexy, sagt ihr Bürgermeister, auch Sindelfingen ist arm und es soll auch nicht sexy sein. So will es der dortige Bürgermeister und so will es auch die Mehrheit des Gemeinderats. Auf ihrer verzweifelten Suche nach Einnahmequellen sind die Stadtväter und Stadtmütter auf die Quelle der Lust gestoßen. Diesem Vergnügen nachzugehen wird nun teurer, in Sindelfingen, nicht in Böblingen.

Besteuert wird alles, was mit Erotik zu tun hat, zum Beispiel der Besuch von Erotikmessen im Glaspalast, auch wenn ein Ratsmitglied diese Veranstaltung eher als „Kindergeburtstag für Erwachsene“ einschätzt. Die Besucher zahlen künftig 5 Euro zusätzlich an die Stadt. Ein teurer Spaß, den sich wahrscheinlich nur noch „die Reichen“ leisten können. Aber bei denen kann man sowieso nicht genug abkassieren.

Auch der Besuch von „Etablissements“ wird in Sindelfingen zu einem kostspieligen Ereignis, denn die Betreiber müssen künftig für jedes benutzte Bett oder für jede Nutzung desselben oder für jede Person, die ein Bett dort geschäftlich nutzt – so ganz genau ist die Beschlusslage aus den Zeitungen (vom 30.6.10) nicht zu entnehmen – 150 Euro bezahlen.

Da kündigt sich ein neuer Wohlstand der armen Kommune Sindelfingen an. Man holt sich das Geld von den wohlhabenden Lüstlingen, bekämpft damit die „spätrömische Dekadenz“ und kann sich so als Förderer der öffentlichen Moral fühlen. Vielleicht sollte sich Berlin daran ein Beispiel nehmen.

(Blog-Eintrag Nr. 195)

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Wissenschaft oder Didaktik

Die Gegenüberstellung in der Überschrift ist natürlich unsinnig. Wer einen guten Unterricht machen soll, der braucht eine solide fachwissenschaftliche Ausbildung und eine ebenso gründliche fachdidaktische Schulung. Dieser Gedanke ist nicht neu – welcher Gedanke ist das schon? – aber er hat in diesen Tagen neuen Schub bekommen.

Beim (in diesem Blog schon mehrfach kommentierten) Bundesländervergleich hat sich gezeigt, dass die Nicht-Gymnasiasten und die Schüler im Osten der Republik schwächere Leistungen in Englisch zeigen. Das lässt sich damit erklären, dass die Ausbildung der Lehrkräfte zu wünschen übrig lässt. Petra Stanat, die maßgeblich an der Vergleichsstudie beteiligt ist, hat dazu in der ZEIT (24.6.10) Kluges gesagt; es sei hier zitiert: „Ob ein Unterricht gelingt, kommt … sehr stark auf das fachdidaktische Wissen der Lehrkräfte an, und das setzt solides Fachwissen voraus.“ Und dann folgt eine Feststellung, die „ins Stammbuch“ all derer gehört, denen nichts Besseres einfällt, als unaufhörlich an der Qualität der gymnasialen Lehrerausbildung herumzudoktern: „Wer die Inhalte seines Unterrichtsfachs durchdrungen hat, vermittelt diese mit größerer Sicherheit, kann mit Fehlern der Schüler souveräner umgehen und auf vielfältigen Wegen intelligente Lerngelegenheiten schaffen.“

Also: die gründliche wissenschaftliche Ausbildung der Lehrer durch die Hochschulen ist unbedingt beizubehalten, auch wenn sie Zeit und Geld kostet! Zeit und Geld kostet allerdings auch die Einübung guter Fachdidaktik. Wer „intelligente Lerngelegenheiten schaffen“ soll, braucht hoch qualifizierte Fachdidaktiker sowie eine Atmosphäre der Ermutigung – in den Staatlichen Seminaren und in den Ausbildungsschulen! Das ist leider nicht immer der Fall.

(Blog-Eintrag Nr. 194)

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Wissen oder können

Der in diesen Tagen bekannt gewordene schulische Bundesländervergleich setzt etwas voraus, was in den hierzulande Schulen erst in Ansätzen angekommen ist: die Orientierung des Unterrichts an vorgegebenen Bildungsstandards und die Vermittlung von Kompetenzen. Das klingt furchtbar, ist es aber gar nicht. Denn schließlich kann sich die Schule nicht mit dem Ziel begnügen, die ihr anvertrauten jungen Menschen bilden oder ausbilden zu wollen, sie muss auch verbindliche Maßstäbe (oder eben Standards) haben, an denen sie messen kann, ob sie ihr Ziel erreicht hat.

Mit den Kompetenzen verhält es sich ähnlich. Viele Lehrer beteuern, sie hätten die vorgeschriebenen „Stoffe“ (Lehrinhalte) „behandelt“, „besprochen“ oder „durchgenommen“. Wenn die Schüler trotzdem nichts wüssten, dann seien sie eben faul gewesen. So rutscht die Verantwortung für den Unterrichtserfolg von den Lehrenden zu den Lernenden. Wenn man aber den Erfolg eines Unterrichts daran misst, ob die Schüler das können, was sie können sollen, wird es mit der Schuldzuweisung für das Misslingen schwieriger. Gewiss, es wird immer Schüler geben, bei denen aller Unterricht vergebliche Liebesmüh’ ist. Aber es tut dem Unterricht gut, wenn den Lehrkräften zurückgespiegelt wird, ob ihre Arbeit erfolgreich war, das heißt: ob sie ihr Ziel erreicht haben und die Schüler tatsächlich „etwas“ können.

Nun sagen manche: Das erfahre ich doch bei den Klassenarbeiten. Wer allerdings weiß, welche „saisonalen“ Bemühungen und kurzfristigen Lernanstrengungen (meist am Vortag) die Klassenarbeitsergebnisse abbilden, wird sich über die Aussagekraft dieser Arbeiten keine Illusionen mehr machen. Eine laufende, zielgenaue Überprüfung der Wirkungen des Unterrichts – und das heißt: feststellen, ob die geforderten Kompetenzen erworben wurden – müsste anders aussehen.

(Blog-Eintrag Nr. 193)