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Armselig

Berlin ist reich an aufwändig restaurierten Bauwerken. Der Bereich um den Gendarmenmarkt zum Beispiel beeindruckt den Touristen aus dem Südwesten der Republik mit seiner Pracht. Wenn er vor dem Französischen Dom steht, spürt der Republikaner die Macht einer anderen Epoche, als Könige und Kaiser noch das Sagen hatten.

In besagtem prächtigem Dom, einer Schenkung an die protestantische Gemeinde in Berlin, ist seit 1935 ein kleines Museum untergebracht, das die Geschichte der Hugenotten in Preußen dokumentiert. Die waren vor Jahrhunderten als Migranten ins Land gekommen, weil Frankreich nichts mit ihrem protestantischen Glauben anfangen konnte und sie blutig verfolgte.

In Preußen (und auch in Württemberg) waren sie willkommen. Ihre Integration gelang; sie halfen dem Land mit ihrer Intelligenz und ihrem calvinistischen Arbeitsethos auf die Beine. Bedeutende Menschen kamen aus ihren Reihen: der Kupferstecher Chodowiecki, der Schriftsteller Fontane und der Verleger Reclam, um nur ein paar Namen zu nennen.

Das alles findet man im Hugenottenmuseum dokumentiert – aber wie? Der Putz an den Wänden bröckelt, Schimmel breitet sich aus, die Exponate vergammeln. Trauriges Beispiel ist eine Harfe, deren Saiten gerissen sind und die wegen fehlender Mittel nicht restauriert werden kann.

Was für ein Kontrast: außen die prächtige Fassade und innen das armselige Museum. Ein Beispiel gelungener Integration könnte hier gezeigt werden, aber keiner will dafür ein paar Euro herausrücken. Offenbar gibt es Wichtigeres. Schade.

(Blog-Eintrag Nr. 223)

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Kranke Demonstranten

In der Stuttgarter Zeitung (vom 20.10.10) lesen wir Bemerkungen eines wütenden Bundesinnenminister. Ihm gefällt es nicht, wie hierzulande mit dem Bahnprojekt umgegangen wird. Unter anderem erregt er sich darüber, dass „Tausende“ von „begüterten“ Eltern ihre 13-jährigen Kinder der Schule als krank gemeldet hätten, um ihnen die Teilnahme an einer Demonstration gegen Stuttgart 21 zu ermöglichen. Ob das tatsächlich so war, vermag Häckerling nicht zu recherchieren, wenn es aber so gewesen sein sollte, ist ein schulrechtlicher Kommentar fällig. Der würde so lauten:

Den Bundesinnenminister geht die Sache eigentlich nichts an. Die korrekte Umsetzung der „Schulbesuchsverordnung“ ist Sache der Schulleiter. Allenfalls können sich das Regierungspräsidium oder die Kultusministerin einmischen, wenn sie den Verdacht rechtswidriger Praktiken haben.

Die Eltern sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder in die Schule gehen. Gibt es einen Verhinderungsgrund (z. B. Krankheit oder familiäre Anlässe), haben die Erziehungsberechtigten ihr Kind „unverzüglich“ zu entschuldigen (bei Krankheit) oder rechtzeitig vorher die Freistellung vom Unterricht zu beantragen (z. B. bei familiären Anlässen). Nur wenn solche Anträge vorliegen, haben der Klassenlehrer (bei einer Freistellung von ein oder zwei Tagen) oder – wenn es um mehr als zwei Tage geht – der Schulleiter darüber zu befinden.

Wenn Eltern behaupten, ihr Kind sei krank gewesen, muss die Schule das (in aller Regel) glauben. Hat das Kind während seiner Erkrankung demonstriert, entsteht ein Problem der Glaubwürdigkeit – der Eltern. Man wird ihnen bei künftigen „Entschuldigungen“ skeptisch begegnen. Die Schule kann hier allenfalls Wahrhaftigkeit anmahnen und an gemeinsame Wertvorstellungen appellieren – oder die Schulverwaltung ändert die entsprechende Verordnung und gibt den Eltern das Recht, ihr Kind auf ihre eigene Verantwortung aus dem Unterricht zu nehmen, wenn sie das für richtig halten.

(Blog-Eintrag Nr. 222)

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Gesichtsverluste

Manchmal verliert auch ein Blog sein Gesicht. Da werden neue Versionen des Hintergrundprogramms plötzlich zum Problem, indem der alte Anblick nicht mehr toleriert wird und das Ganze – wie man so sagt – „abstürzt“. Bei diesem Sturz brechen keine Knochen, sondern es brechen die Strebepfeiler zusammen, die das Blog-Gebilde zusammengehalten haben. Das führt zum Gesichtsverlust“ und zur Notwendigkeit eines Face-Liftings.

Kurzum: Nachdem „Häckerling“ eine kleine Weile unsichtbar geworden, also in einer Art schwarzem Loch verschwunden war, ist er nun mit neuem Gesicht „(face“) wieder aufgetaucht, wobei das Gesicht des Schreibers das bekannte alte ist, wenn auch von einem dienstbaren Geist etwas geliftet. Dieses Gesicht bekam mit freundlicher Hilfe einen neuen Rahmen, einen helleren, hoffentlich noch übersichtlicheren.

Was bleibt: Der oder das Blog ist weiterhin bei den Liberalen beheimatet. Zu denen gehört der Schreiber, obwohl das derzeit wieder einmal ein Minderheitenclub ist. Denn auch die FDP hat einiges verloren, ein bisschen am Gesicht, zugegeben, vor allem aber an demoskopisch gemessener Zustimmung. Das hat Gründe, die auch mit dem grünen Höhenflug zu tun haben, der Stuttgarter „Oben-bleiben“-Erfolgsgeschichte und der neuen Freude am Protest über alles und jenes: über länger laufende Atommeiler und kurzlebige Gesundheitsreformen, zu wenig angehobene Hartz-IV-Zahlungen und zu viele misslungene Integrationsversuche, abgeschaffte Wehrpflichten und noch nicht geschaffte Steuerermäßigungen, über zu viel und zu wenig Sparen usw.

Das Wort „Gesichtsverlust“ ist eigentlich falsch. Es geht nur darum, dass Gesichter sich verändern oder auch nur anders gesehen werden. Mit eine bisschen Lifting ist es da allerdings nicht getan. Es kommt auf den Blick an.

(Blog-Eintrag Nr. 221)