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Der Bundespräsident und die Werte der Republik

Das war’s dann also. Wulff ist zurückgetreten. Er hat es in guter Form getan, wie er denn überhaupt gut aussah, von seiner Frau ganz abgesehen. Was die Ästhetik der Amtsführung angeht, so ist ihm wenig vorzuwerfen. Der Mann konnte sich kleiden, er sprach ein verständliches Deutsch, er kleidete sich chic. War das nichts?

Er ist gestürzt über den Verdacht der „Vorteilsnahme“ und über sein mangelndes Schuldbewusstsein dabei. Nun tun alle so, als sei das schlimm. Dabei ist es der Alltag dieser Republik. Vorteile suchen und finden und nehmen, das ist das, was viele hierzulande gerne tun. Nur Politiker sollen nicht so sein oder sich nicht dabei erwischen lassen, wenn sie zugegriffen haben. Das ist doch eine verlogene Haltung. Da ist ein Bundespräsident endlich mal so, wie viele sind oder es gerne wären (Patchwork-Familienvater, Hausbesitzer, Luxusreisender) und dann wird puritanisch herumgemäkelt: Das, was so viele gerne in Anspruch nehmen, den Vorteil, gehöre sich nicht für einen Politiker. Der soll edel sein, hilfreich und gut, unbestechlich und frei von jedem Makel. So hätten manche gerne die Bundesrepublik, wenigstens deren politische Elite – quasi stellvertretend für uns alle.

Diese Republik ist aber nicht so. Auch ihr Präsident war nicht so. Jetzt muss er gehen. Wir suchen nach dem guten Menschen von Berlin. Vielleicht gibt es ja einen.

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Böblingen und die Tonne in Orange

Der Landkeis Böblingen und das dortige Amt für Abfälle hat sich etwas Neues einfallen lassen, es hat die Farbpalette der Abfalltonnen um die Farbe Orange erweitert. Dieses Ding macht das Leben im Kreiss BB noch bunter. Nach der tristen schwarzen Tonne (für den Restmüll), der hübschen grünen (für das Kompostierbare) und der edlen blauen Tonne (für Pappe und Papier) gibt es seit dem Januar eine Tonne in Orange. Wofür ist sie? Das erfährt man auf der Homepage des Landratsamts:

„In die neue Wertstofftonne dürfen sogenannte stoffgleiche Nichtverpackungen aus Metall, Kunststoff und Holz.“ Äh? Was ist eine „sogenannte stoffgleiche Nichtverpackung“? Wer hat sie „so genannt“ und womit ist sie stoffgleich? Und was ist eine „Nichtverpackung“? Ich vermute. ein Stoff, der sich nicht zum Verpacken eignet oder nicht dafür verwendet werden darf. Aber vieles ist doch in Metall und Kunststoff verpackt – darf das dann nicht rein? Doch das Rätselraten geht weiter:

„Auch wenn die in jeder Kreisgemeinde vorhandenen Wertstoffhöfe die offizielle Annahmestelle für Verpackungen wie Joghurtbecher, Kunststoffflaschen, Getränkekartons und Dosen bleiben, handelt jeder Bürger rechtmäßig, der die Wertstofftonne als Ersatz für den Besuch auf dem Wertstoffhof nutzt und diese Verpackungen aus Kunststoff und Metall einwirft.“ Aha! Eigentlich müsste ich meine Kunststoffbecher (keine Nichtverpackungen!) zum Wertstoffhof fahren, aber wenn ich es nicht mache und das Zeug in die Tonne mit dem Deckel in der Farbe Orange werfe, handle ich rechtmäßig, muss also kein Bußgeld befürchten.

Aus Dankbarkeit dafür, dass man bereit ist, meine Wertstoffe, zu denen auch elektronische Geräte (Föhne, Rasierapparate) gehören dürfen, zu spenden, darf ich pro Abfuhr 3,50 € entrichten. Teurer wird es wohl, wenn ich vergesse, die Geräte zuerst in einen roten Sack (gibt es umsonst!) zu packen. Dann ist wohl doch ein Bußgeld fällig. Seltsam, dass sich erst wenige Bürger des Kreises Böblingen für diese wunderbare Tonne entschieden haben.

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Stuttgart und der Juchtenkäfer

Es gebührt der ZEIT ein großes Dankeschön, dass sie uns über das Juchtenkäfer-Problem aufklärt (Ausgabe 6/2012, S. 36). Auch wer für den neuen Stuttgarter Bahnhof ist, litt immer klammheimlich an seiner Mitschuld am Untergang dieses Käfers. Man kam sich vor, als gehe man über die Leichen einer Tierart, nur um in einem unterirdischen Bahnhof den ICE besteigen zu können. Dieses Gefühl, für die brutale Ausrottung von Lebewesen verantwortlich zu sein, ist jetzt ein bisschen schwächer geworden.

Die Botschaft der Juchtenkäfer-Geschichte lautet: Eigentlich gehören diese Tiere gar nicht in den Schlossgarten. Die Bäume, auf denen sie leben, Platanen, sind die falschen, das Milieu, in dem sie überleben, eine Parklandschaft, ist ihnen nicht zuträglich, der Bereich, den sie hatten und haben werden, ist zu begrenzt und führt zur Inzucht.

Juchtenkäfer gehören in Urwälder, wo es alte, hohle Bäume gibt, in denen Spechte klopfen, Pilze wuchern, Holz modert, wo sich Mulm, also Kompost, sammeln kann, das Lebenselixier des Juchtenkäfers.In dieser Umgebung finden die Tiere jene Anregungen und Partner, die sie zur Fortpflanzung motivieren.

Der Schlosspark war und ist kein Urwald, sondern dient der Naherholung der Menschen. Bessere Chancen hat der Juchtenkäfer in Deutschlands Osten. Dort gibt es ihn, weil es Wälder gibt, die ihm gefallen. Wie wäre es mit einer Umsiedelung? Dann könnte zusammenwachsen, was zusammengehört: die Juchtenkäferpopulation von Ost und West.