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Unvorstellbarer Service oder Das Recht auf lächelndes Personal

Manche Meldungen klingen so unglaublich, dass man an einen Aprilscherz glauben möchte, und das am 1. September, oder an ein Märchen. In Japan, lese ich heute in der Stuttgarter Zeitung, sind die Züge immer pünktlich. Ja, „immer“ steht da. Bei uns sind Busse und Bahnen bekanntlich gelegentlich oder auch mal zufällig pünktlich, dort, im Fernen Osten, in Tokio, sind sie es, wenn die Meldung stimmt, immer. Und falls es Fahrplanänderungen gibt, das also kommt offenbar auch vor, werden sie sofort angezeigt, sofort.

Was noch unglaublicher ist: Auf den Bahnsteigen stehen Personen, die nur dazu da sind, den Fahrgästen Auskünfte zu erteilen. Man kann die also echt fragen und bekommt eine Antwort, eine freundliche sogar.

Denn das ist der dritte Teil der Botschaft: Die Mitarbeiter der Bahn müssen lächeln. Das wird kontrolliert, und zwar von Computern. Die schauen den Beschäftigten ins Gesicht und zeichnen sein Lächeln oder Nichtlächeln auf. Wer wegen Letzterem auffällt, bekommt gute Ratschläge, wie er Ersteres, sein Lächeln nämlich, verbessern kann.

So also wird im Land des Lächelns professionell an der Zufriedenheit des Kunden gearbeitet. Der hat nicht nur Anspruch auf eine Fahrkarte, einen pünktlichen Zug und eine klare Auskunft, sondern auch auf ein Lächeln. Bei uns müsste der verantwortliche Manager wahrscheinlich seinen Hut nehmen: wegen Verstößen gegen den Datenschutz (Ausspähung der Mitarbeiter) und die Menschenwürde; denn hier hat jeder das Recht, ein verdrossenes Gesicht zu zeigen.

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Ungebildete Wahlkämpfer 2 oder Ein Plakat bekommt Sinn

Im letzten Eintrag mit dieser Überschrift habe ich über den Sinn des Bildungsplakats der SPD, das mit der ansehnlichen jungen Frau, die nach Bildung verlangt, nachgedacht oder besser gerätselt. Nun weiß ich, meiner (Stuttgarter) Zeitung (vom 29.8.09) sei Dank, mehr über die Lächelnde: Sie heißt Jennifer Metzlaff und ist Elitestudentin.

Was studiert sie? Internationales Management. Und wo? An einem privaten Düsseldorfer Euro-Business-College. Was kostet das? 590 Euro im Monat. Und wer zahlt? Ich nehme an, es ist der Vater. Dem wird es aber vermutlich allmählich zu viel und daher liegt der Gedanke nahe, dass der Steuerzahler, also die Allgemeinheit, die Kosten für dieses wunderbare Studium übernimmt. Denn das kann ja nicht sein, dass man Tourismus und Eventmanagement nur studieren kann, wenn die Eltern es bezahlen können. Schließlich braucht unser Staat Fachleute für Events, sonst ist das Leben gar so eintönig.

Eine Idee hätte ich noch, wie Frau Metzlaff ihre Studienkosten zusammenbringen könnte: Da sie mit ihrem Konterfei der SPD viele Stimmen bringen wird, wäre es doch recht und billig, wenn die Partei, in der sie sogar ein Vorstandsamt wahrnimmt, die Kosten übernähme. Vielleicht gelingt es ja Frau Metzlaff demnächst, aus der SPD wieder ein politisches Event zu machen.

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Unverständliche Geistlichkeit oder Warum wir Paulus nicht kapieren

Es ist ja nicht so, dass die meisten Menschen nur an Weihnachten in einen Gottesdienst gehen, vielmehr gibt es noch einen anderen Anlass, der sie oft in großer Zahl zu einer religiösen Veranstaltung führt; die Beerdigung. Die ist häufig mit einem Gottesdienst gekoppelt. Und dabei zitieren evangelische Pfarrer gerne den Apostel Paulus in der Übersetzung Martin Luthers.

Im Brief des Paulus an die Römer steht im 14. Kapitel, Verse 7 und 8, ein Abschnitt, in dem es ums Sterben geht, der aber weder beim ersten noch beim zweiten Hören verständlich ist. Luther übersetzt so: „Unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber“. Weiter geht es: „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn“. Und das Ganze schließt: „Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“

Das klingt verquer und das liegt an der altertümlichen Sprachform. Das Wort „unsereiner“ ist noch geläufig, aber „unser keiner“ nicht. Es muss heute heißen: „keiner (von uns)“ oder „niemand“. Die reflexive Verwendung der Verben „leben“ und „sterben“ ist im heutigen Deutsch nicht üblich. Wir sagen „sich freuen“ oder „sich wundern“, aber nicht „sich leben“ oder „sich sterben“. Nun könnte man bei „leben“ „sterben“ das „sich“ weglassen, doch dann würde der Sinn des Satzes verfehlt. Also kommt man um eine Präposition nicht herum; sie würde es auch erlauben, das „sich“ stehen zu lassen: „Keiner lebt für sich (allein), keiner stirbt (nur) für sich“. Wir sagen auch nicht: „dem Herrn leben“. Eine solche Dativkonstruktion läuft dem heutigen Sprachempfinden zuwider. Auch hier brauchen wir ein „für“. Dann hieße der etwas vereinfachte Satz: „Wir leben und sterben für den Herrn.“ Will man den (unklaren) Bedingungssatz nicht aufgeben, müsste man sagen: „Wenn wir leben, dann leben wir für den Herrn.“

Am Schluss verwendet Luther einen Genitiv. So schön er klingen mag, er ist heute nicht mehr passend: „Wir sind des Herrn.“ Luther meint: Wir gehören dem Herrn, wir sind sein Eigentum. So könnte man es in heutigem Deutsch sagen.

Es wäre schön, wenn das auch bei Beerdigungen verwendet würde.