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Starker Staat

Ungewohntes erleben wir: dass die staatliche Gewalt massiv in die Freiheitsrechte des Einzelnen eingreift. Die Gründe sind nachvollziehbar, aber es mutet schon eigenartig an, dass den Menschen verboten wird, sich zu versammeln, dass sie gezwungen werden, Abstand zu halten, es verboten ist zu reisen, zu arbeiten, Gaststätten zu besuchen. Dürfen die “da oben” das eigentlich? Ja, sie dürfen es. Sie dürfen sogar den, der sich nicht an die Verordnungen hält, bestrafen. Den starken Staat erleben wir selten. Im Krieg zeigt er sich und auch bei Katastrophen. Sogar seine eigenen Regeln darf er außer Kraft setzen, darf Schulden aufnehmen, soviel er will, darf im Parlament Beschlüsse fassen, auch wenn es nicht beschlussfähig ist, darf Bewegungsprofile der Handys erstellen, uns also überwachen. Bis jetzt hat offenbar noch niemand den Versuch gemacht, dieses staatliche Gebaren verfassungsrechtlich zu überprüfen. Aber das kann noch kommen. Wichtig ist, dass alle Maßnahmen zeitlich befristet sind und damit gekoppelt an die Situation, in der wir uns derzeit befinden. Aber was ist, wenn die Welt der Viren Geschmack an dieser Machtdemonstration findet und uns nächstes Jahr mit einem neuen Corona-Virus überfällt? Das ist zwar statistisch unwahrscheinlich, aber mit dem jetzigen Virus hat auch keiner gerechnet. Dann wird sich die Frage stellen, wie stark der Staat tatsächlich ist und wie lange seine Stärke hält.

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Unsoziale Kontakte

Der Spielplatz in der Nähe ist gesperrt, nicht durch ein Band, nur per Schild. Darauf steht, die Menschen mögen „soziale Kontaktevermeiden. Zwei Wörter, an denen das Wohl und Wehe der Gesellschaft festgemacht wird, zwei Fremdwörter überdies, Ob alle sie verstehen? Warum sagt man nicht, man solle es vermeiden, anderen Menschen nahe zu kommen, oder: Haltet Abstand! Das Paradoxe an den sozialen Kontakten ist derzeit, dass man sie unterlassen soll. Wer sich dem Anderen nähert, handelt unsozial, weil er das Überspringen des Virus begünstigt. Sozial handelt nur, wer sich von den anderen fernhält. Die politische Führung droht nun mit der Ausgangssperre, sollten die Menschen zu nahe aufeinander rücken. Inzwischen werden offenbar Corona-Partys gefeiert. Das geht natürlich gar nicht, obwohl derlei ziviler Ungehorsam von Jugendlichen zu erwarten war. Wenn ihnen das Virus nicht weiter weh tut, wenn sie mit einer leichten Erkältung davonkommen, warum sollen sie dann die täglichen Warnungen davor ernst nehmen? Wenn man eine lustige Party nur mit einem allenfalls lästigen Schnupfen bezahlen muss, dann ist das ein vertretbarer Preis. Aber es geht doch um Alten! Die gelte es zu schützen. Doch wie soll ein stinknormaler Jugendlicher diesen Gedanken nachvollziehen? Wer alt ist und krank, der stirbt eh bald. Warum soll uns das den Spaß verderben? Ob es wohl genügend Sozialarbeiter gibt, die den jungen Leuten ein wenig „soziale“ Verantwortung vermitteln können?

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Isolierte Alte

Eine Republik im Ausnahmezustand, im Krisenmodus, in Hysterie und Panik. Was kein Terrorist je geschafft hat, einem Virus ist es gelungen: das Land lahmzulegen, jegliche Kultur und fast allen Sport aus dem Alltag zu vertreiben. Die Kanzlerin verspricht mal wieder alles. Jedem werde geholfen, zumindest jeder Firma, jedem Arbeiter und Angestellten, keiner soll unter der Viruskrise leiden. Doch – mit Verlaub,  Frau Merkel – das Blaue vom Himmel zu versprechen ist einfach, das Versprochene zu halten aber noch selten gelungen. Aber gut, irgendwas muss man ja mit den Milliarden gebunkerter Euro anfangen. Aber was niemand mit Geld aufwiegen kann, ist die Isolation, genauer: die Stigmatisierung der Alten. Sowohl Merkel als auch (noch eindrücklicher) Kretschmann haben zum Ausdruck gebracht, dass Großeltern und Enkel einander meiden sollen, dass die Alten gefälligst zu Hause bleiben, dass sie soziale Kontakte vermeiden sollen. Warum? Damit sie nicht angesteckt werden? Das vielleicht auch, vor allem aber, dass sie nicht als Kranke die Kliniken verstopfen. Unnötige Operationen (Herz, Krebs etc.) werden verschoben. Vielleicht so lange, bis der oder die Betreffende das Zeitliche gesegnet hat. Martenstein hat in der letzten Ausgabe der ZEIT zum Glück ein tröstendes Wort gefunden: In den Kliniken sterben jährlich mehr Menschen an Krankenhausviren, als Corona jemals zur Strecke bringen kann. Jetzt versteht man auch, warum das Verfassungsgericht dieser Tage den Sterbeparagrafen außer Kraft gesetzt hat: Endlich dürfen sich vereinsamte und „lebenssatte“ (ein Wort aus dem Alten Testament) Alte selbst töten oder töten lassen. „Herrliche Zeiten“ kann man da (mit einem Filmtitel von 2018) nur sagen.