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Verschwörerische Theorien

Die Gewinner der C-Krise sind die Erfinder von Verschwörungstheorien. Manche bevorzugen das Wort Verschwörungsmythen. Schon das Neue Testament, auch entstanden in Krisenzeiten, betätigt sich auf diesem Gebiet: Die Juden, sagt der Evangelist Matthäus, würden behaupten, Jesu Anhänger hätten dessen Leichnam versteckt, um verkünden zu können, ihr Herr und Meister sei auferstanden. Im Mittelalter wurde den Juden die Schuld an der Pest zugeschrieben. Sie hätten die Brunnen vergiftet. Dass der 11. September eine Inszenierung der amerikanischen Regierung gewesen sei, hält sich als Mythos besonders hartnäckig. Auch Corona liefert verschwörerisches Material. Für die einen ist es China, das den Virus absichtlich verbreitet habe, um seine weltweiten Absatzmärkte zu stützen. Für andere sind es Bill und Melinda Gates, die Interesse an der Ausbreitung von Covid-19 hätten, eigentlich einer harmlosen Grippe. Und warum? Sie würden mit ihren Aktien bei der Pharmaindustrie viel Geld verdienen, wenn der Impfstoff auf dem Markt sei. Oder es sei Frau Merkel, die auf dem Umweg über die Pandemie den Deutschen ihre Grundrechte nehmen wolle, um unumschränkt zu herrschen. Für manche steckt auch das internationale Judentum hinter der Pandemie. Ich würde als meine Theorie hinzufügen: Es ist Trump, der auf diese Weise seine Wiederwahl sichern möchte, weil es in der Pandemie keinen Wahlkampf geben könne. Das schade den Demokraten und nütze ihm. Ergänzen könnte man, dass durch den Virus in den USA vor allem jene Menschen zu Tode kommen, die Trump eh nicht wählen. Mir scheint, die Krise bereitet der Dummheit den Boden. Verunsicherte Menschen glauben alles.

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Sprachliche Wolkenbildung

Krisen schlagen sich auch in Sprache und Literatur nieder. Wer noch keinen Virus-Sciencefiction-Roman geschrieben hat, tut gut, sich schnell an seinen Schreibtisch zu setzen, damit das Werk bald auf den Markt kommen kann. Dabei wird es schwer werden, mit Camus‘ „Pest“ zu konkurrieren, einem Zukunftsroman, der in der Vergangenheit spielt und an philosophischer Reflexion einiges zu bieten hat. Auch die Sprache der Politik schwingt sich zu immer neuen metaphorischen Höhen auf. Es gibt – grob eingeteilt – zwei Gruppen: die eine besteht aus Menschen, die uns „über den Berg“ sehen und „Lockerungen“ wollen, die andere aus jenen, die das Schlimmste befürchten. So stehen wir in der Sicht von Frau Merkel erst am „Anfang der Pandemie“. Wenn wir jetzt locker lassen, riskieren wir unsere bisherigen Erfolge. Die Kanzlerin ist in „großer Sorge“. Sie sieht uns auf „dünnem Eis“, also in der ständigen Gefahr „einzubrechen“ und „unterzugehen“. Das erinnert an Kassandra, die den Untergang Trojas kommen sah und auch verkündete, auf die aber nicht gehört wurde. Aus der Rückschau betrachtet, hatte Kassandra Recht. Unser Problem ist, dass wir vielen Stimmen ausgesetzt sind, aber nicht wissen, welche am Ende die richtige Stimme gewesen sein wird. Sind es die virologisch getränkten Stimme des Robert-Koch-Instituts, werden die Kassandra-Rufe der Kanzlerin berechtigt gewesen sein oder stimmen die Einlassungen der „Forschen“, der nach Freiheit Gierenden, derer, die die „Gängelung“ der Wirtschaft beenden wollen, zu denen auch der US-Präsident gehört? Oder sollen wir mehr auf die immer neuen Verlautbarungen der Wissenschaftler hören? Aber zu deren sprachlichen Regeln gehört es, dass eine Äußerung nur so lange als richtig gilt, bis sie widerlegt ist. Alle reden, keiner kennt die Wahrheit. Vielleicht wartet „hinter dem Berg“ bereits die nächste Pandemie, vielleicht lassen wir uns aber auch nur „verrückt machen“. Wer weiß?

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Vernachlässigte Kinder

Endlich sagt man es deutlicher: Auf Seite1 der neuen Ausgabe der ZEIT ist zu lesen, dass nicht nur alte Menschen mit Vorerkrankungen, sondern auch die Kinder bei einer Pandemie das Recht auf Leben haben: auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit, (Spielen, mit Freunden reden), das Recht auf Bildung, auf Erziehung. Sie seien nicht nur potenzielle Virus-Schleudern, sondern die wahren „Systemrelevanten“. Häckerling kann jenen Satz mitsprechen, dass es absurd sei, den Erwachsenen wieder das Shoppen (mit Abstandhalten) zu erlauben, den Kindern aber die Spielplätze mit rotweißen Bändern zu versperren. Auch Spielen ist beim Einhalten von Abstandsregeln möglich. Dass sie darauf achten müssen, haben die Kinder in den letzten Wochen nachhaltig gelernt. Es gibt sicher auch genügend Mütter oder Väter, die aufpassen können. Hunde bekommen ihren Auslauf, Kinder nicht. Dabei seien auch Hunde in der Lage, das Virus transportieren, heißt es. Ein Plan zur schrittweisen Öffnung der Kitas und Schulen ist dringend geboten. Kinder, die bestimmte Bedingungen brauchen, um an Leib und Seele reifen zu können, dürfen nicht das Opfer einseitiger deutscher Gründlichkeit werden. PC und Smartphone ersetzen die Freiheit nicht. Die Folgeschäden mangelnder Entwicklungsmöglichkeiten sind durchaus mit den Folgen der Corona-Belastung gegenzurechnen.