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Schule 21

Es gibt auch noch Themen außerhalb des Stuttgarter Bahnhofs, zum Beispiel die Schule. Die Liberalen haben sich am 9.10.10 in Freudenstadt mit der Bildungspolitik beschäftigt und ihre Vorstellungen in einen 29-seitigen, 158 Punkte umfassenden „Leitantrag“ gegossen. Der wurde, wie Sonntag Aktuell (10.10.10) zu entnehmen ist, einstimmig beschlossen. Was steht drin? Vieles, vor allem viel Selbstverständliches.

So lautet die Nummer 39 des Leitantrags: „Die Potenziale von Kindern und Jugendlichen müssen in einem guten Unterricht erschlossen werden. An erster Stelle der Schulentwicklung muss deshalb der Blick auf den Schüler und die Qualität des Unterrichts stehen; Strukturdebatten sind wenig hilfreich, meist sogar kontraproduktiv. Die konsequente Schaffung der Voraussetzungen für guten Unterricht, der die Entdeckung und Förderung von Talenten, Neigungen und Begabungen in den Vordergrund stellt, ist daher das Anliegen liberaler Schulpolitik.“

Die Ermöglichung von gutem Unterricht, die Entdeckung und Förderung der Begabungen („Potenziale“) der Kinder und Jugendlichen, Verzicht auf unnötige Strukturdebatten, wer möchte dem widersprechen? Aber was ist „guter“ Unterricht? Dazu steht in Punkt 41: „Die Förderung der vielfältigen individuellen Talente und Begabungen muss zum Schulprogramm erhoben werden. Lehrer müssen Schüler unterrichten – nicht Klassen. Schüler müssen nicht belehrt, sondern begleitet werden hin zu mehr eigenständigem, selbstverantwortetem Lernen. Differenzierende Unterrichtsmethoden müssen daher im Vordergrund stehen, um die Potenziale von Kindern und Jugendlichen zu erschließen.

Gut ist ein Unterricht also dann, wenn er Begabungen fördert, die Schüler nicht belehrt, sondern begleitet, damit sie eigenständig werden. Und in Nummer 44 wird ergänzt: „Im Mittelpunkt einer guten Schule steht der gut ausgebildete und gut motivierte Lehrer.“

Es soll also alles „gut“ werden in der Schule. Das will auch Häckerling. Aber er hätte sich die Beschreibung des Guten gerne etwas konkreter gewünscht.

(Blog-Eintrag Nr. 219)

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Beidrehen oder durchdrehen

Mit diesem Verbpaar beschreibt der Kommentator in der letzten Ausgabe der ZEIT (12.5.10) die Lage der Liberalen nach der Wahl von NRW. Der Wähler habe dort die Botschaft verkündet: so wenig FDP wie möglich. Wie schon so oft in den letzten Jahrzehnten läutet ihr die Journaille das Totenglöcklein. Damit kann man in der Öffentlichkeit trefflich punkten. Wenn man auf eine 10%-Partei einhaut, findet man freundliches Kopfnicken bei den andern 90%. Das ist auch gut fürs Geschäft. Ohne Anzeigen kann die Presse nicht überleben.

Nun ist Häckerling weit davon entfernt, die Politik der christlich-demokratischen Koalition gut zu finden. Unter einer Koalition versteht er ein auf Zeit funktionierendes Bündnis unterschiedlicher Parteien, einen Zusammenschluss zur Umsetzung vertraglich vereinbarter politischer Ziele. Man muss sich nicht mögen, aber man muss tun, was man vereinbart hat. Der FDP nun ständig vorzuwerfen, dass sie genau dies verlangt, kommt mir merkwürdig vor. Und zu sagen, der ganze Koalitionsvertrag tauge nichts, ist nur dann in Ordnung, wenn man das allen Partnern vorwirft. Die Argumentation, die christliche Partei würde erfolgreich regieren, wenn sie nicht diese „Scheißliberalen“ als Klotz am Bein hätte, klingt merkwürdig. Wenn sie die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags schlecht findet, warum hat sie ihn dann unterschrieben?

Nun soll die FDP also „beidrehen“. Das machen Schiffe, die aufgrund widriger äußerer Bedingungen, heftiger Stürme zum Beispiel, eine Ruhepause brauchen. Die Liberalen sollen also stillhalten, den Mund halten oder an sich halten, sich unauffällig verhalten. Wenn sie das nicht schaffen, werden sie „durchdrehen“, also den Verstand verlieren, kopflos werden, spinnen, ausrasten. Die Alternative „beidrehen oder durchdrehen“ ist wie Pest und Cholera oder wie Skylla und Charybdis. Es ist die Botschaft: Ihr allein seid an den Problemen Deutschlands schuld. Macht euch vom Acker.

Der liberalen Partei bleibt in dieser Lage nichts anderes übrig, als eine Strategie des Überlebens zu formulieren. Man sollte mal in Klausur gehen und darüber nachdenken, was möglich und was nötig ist in diesen stürmischen Zeiten. Politiker müssen sich nicht immer selbst verwirklichen, sondern politische Ziele. Sie müssen nicht immer recht haben, sondern das Richtige tun. Sie müssen sich nicht ständig profilieren, sondern die anstehenden Entscheidungen sorgfältig modellieren. Sie müssen nicht unaufhörlich taktieren, sondern regieren, es also „richten“. Das gilt für die FDP, aber auch für die anderen Parteien.

(Blog-Eintrag Nr. 181)

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Über Integrationsversuche

Die Integration der „Bürger mit Migrationshintergrund“ muss dringend verbessert werden. Dass sie bei den Bildungsabschlüssen statistisch negativ auffallen, kann man nicht bestreiten. Auch nicht, dass dies ein Problem ist, das die ganze Gesellschaft angeht, weil sie auch als Ganzes zunehmend darunter leidet. Daher sind alle Bemühungen, an diesem Zustand etwas zu ändern, sehr lobenswert.

In Baden-Württemberg ist der Justizminister, Goll FDP, mit dem Amt eines „Integrationsbeauftragten“ betraut. Er tut auch was. Schon am 8. September 2008 hat der Ministerrat seinen „Integrationsplan“ verabschiedet. Der trägt die Überschrift „Integration gemeinsam schaffen“ und hat einen Umfang von 185 Seiten. Im November 2009 wurde eine Konzeption für die Umsetzung des Plans vorgestellt. Die Stuttgarter Zeitung berichtet darüber sieben Wochen später, an Silvester 2009. Arg schlau wird man aus dem Bericht nicht.

Die Mitteilung, dass die Minister Goll und Rau (KM) das Bildungsniveau der Einwandererkinder heben und hierzu bei den Eltern ansetzen wollen, ist nicht überraschend. Die Mütter und vor allem auch die Väter sollen „über Mitwirkungsmöglichkeiten in Schule und Kindertagesstätte informiert“ und „in ihrer Rolle als Erzieher gestärkt werden.“ Das leuchtet ein. Aber wie? Durch „neue Strukturen“ erfahren wir. Es sollen in jedem Regierungsbezirk mehrere Berater „angesiedelt“ werden, die den Kommunen „helfen, die neuen Angebote einzurichten“. Das heißt doch, dass alle Städte und Gemeinden eine (neue?) Stelle für Integrationsangebote einzurichten haben, die dafür sorgt, dass die „neuen Angebote“ dort ankommen, wo sie wirken sollen – an den Schulen und Kindertagesstätten (siehe oben).

Unter den „neuen Angeboten“, für die man die neuen Strukturen braucht, hat man sich zum Beispiel „Bildungslotsen“ vorzustellen, die den Eltern über die „Hemmschwellen“ der genannten Einrichtungen hinweghelfen sollen. Gedacht ist (wieder einmal) an Ehrenamtliche, zum Beispiel an pensionierte Lehrerinnen und Lehrer.

So sehr neu klingt das nicht und auch nicht neuer Strukturen bedürftig. Dieses neue Angebot müsste sich auch mit den schon bestehenden umsetzen lassen.

(Blog-Eintrag Nr. 131)