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Lesemängel

Die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung, die man auch IGLU nennt, hat dem deutschen Bildungsselbstbewusstsein einen neuerlichen Schlag versetzt. Die deutschen Viertklässler liegen beim Lesen im „unteren Mittelfeld“. Das reiht sich ein in die Serie der Peinlichkeiten, die sich das deutsche Schulsystem derzeit leistet. Jetzt wird wieder nach den Ursachen geforscht. Muss man da lange suchen? Was nicht mit kluger Didaktik eingeführt und dann mit Eifer geübt wird, bleibt nicht haften. Natürlich haben sich viele Lehrer Mühe gegeben, haben Vorlesewettbewerbe organisiert und damit die guten Leser zweifellos gefördert. Die gibt es. Aber was ist mit den schwachen Lesern? Denen, die abtauchen, wenn sie ihre Lesefertigkeit offenbaren sollen? Wahrscheinlich lässt man sie in Ruhe, damit die armen Kinder nicht bloßgestellt werden. Oder man hat keinen Plan, wie man Mädchen oder mehr noch Jungen das Erfolgserlebnis fließenden Lesens vermitteln kann. Es ist auch ein hartes Brot. Jemanden einen Satz, über den er wegstottert, immer und immer wieder lesen zu lassen, bis er „sitzt“ und nach Satz klingt, ist eine Mühsal und nervt die Mitschüler. Aber den Kindern zu zeigen, wie sie das Lesen vorbereiten, also die wichtigen und hervorzuhebenden Wörter finden, wo sie mit der Stimme nach oben und wo nach unten gehen müssen, wo eine Pause zu machen ist und man Luft holen kann, wie längere Wörter zu akzentuieren sind, wie man den Sätzen Leben einhaucht und den Zuhörern das Gelesene plastisch vor Augen führt, dies anderes mehr ist die Aufgabe des Leseunterrichts. Davon, dass Lesen und Schreiben zusammenhängen, dass Texte nicht nur eine Ansammlung von Buchstaben und Wörtern sind, sondern Sinnzusammenhänge schaffen, davon sei an dieser Stelle erst gar nicht die Rede.

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Leseherbst

Wer es bisher noch nicht wusste, konnte es heute der Zeitung entnehmen: Die Schweden sind um pragmatische Lösungen ihrer Probleme nicht verlegen. Diesmal geht es um eine Lösung des Leseproblems. Nachdem das Land beim PISA-Ranking in der Lesekompetenz deutlich nach hinten gerutscht ist, will man die jungen Menschen nun stärker zum Lesen animieren, und zwar schon in den Herbstferien. Mit zahlreichen Aktionen soll die Leselust der Teenager gefördert werden. Weg mit dem Smartphone, her mit dem Buch, das ist offenbar die Devise. Und dann auch noch in den Ferien, jener Zeit, in der die Schule (und damit auch der Staat) die Kinder in Ruhe lassen soll! Kein Wunder, dass sich sogar in Schweden schon leiser Widerstand regt. Ich stelle mir vor, wie der bei uns aussähe: Shitstürme in den sozialen Medien, Kampanien in den Leserbriefspalten, eine heftige Debatte im Landtag über den Schutz der Kinder vor staatlicher Bevormundung, die Forderung, das Jugendschutzgesetz um einen entsprechenden Passus zu erweitern. Die politische Rechte würde auf den Zerfall der Kultur unseres Landes hinweisen und dies als Folge des Flüchtlingszustroms deuten, die Linke würde auf die jahrzehntelangen Versäumnisse der konservativen Regierungen verweisen, die Grünen auf ein Verbot ungesunder Medien dringen, die CSU Bayerns Erfolge beim Lesen rühmen und andeuten, dass auch hier Merkel wieder einmal versagt habe. Wenn die leseschwachen Kinder all die Texte läsen, die zu diesem Thema publiziert würden, wäre das ihrer Lesekompetenz, die auch hierzulande zu wünschen übrig lässt, sehr zuträglich.

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Mittelständisches Schichtproblem

In diesem Blog sind folgende Äußerungen zu lesen; ihre Deutung könnte zu einer PISA-Aufgabe (Bereich Lesen und Textverständnis) werden. M schrieb:

Obgleich es jeder weiß, sei es hier doch nochmals zur Erinnerung gesagt: Der deutsche Mittelstand erwirtschaftet den mit Abstand größten Anteil des deutschen Bruttosozialproduktes, stellt die mit Abstand meisten Arbeitsplätze. Ohne den Mittelstand – aber auch Kleinunternehmer und Freiberufler – wäre Deutschland ökonomisch (und politisch) ein NICHTS. Deutschlands kreativste und produktivste Leistungsträger findet man vor allem genau hier: Unter den Freiberuflern, den Selbstständigen, den mittelständischen Unternehmern. … Unter Mittelstand verstehe ich (wie alle BWLer) ausschließlich mittelständische Unternehmen (Unternehmer), also nicht etwa eine soziale Gesellschaftsschicht.

Darauf antwortete H unter anderem:

Seine <Ms> Definition von Mittelstand mag BWL-Studierende beglücken. Aber wen rechnet er zur Mittelschicht? Gibt es die überhaupt noch?“

Dies wiederum führte zu folgender Reaktion von M:

Das wahre – nun klar – in Erscheinung tretende Problem ist wohl doch, dass <H> begrifflich beispielsweise nicht unterscheiden kann … zwischen Mittelschicht und Mittelstand. Aber das kann H ja wohl sehr gut, Menschen klassifizieren, deshalb gehört jeder auf die Hauptschule, der Mittelstand sagt und auch wissend meint und dies folglich nicht mit Mittelschicht verwechselt.

Fragen und Aufgaben:

1.      Fasse Ms Definition von „Mittelstand“ in einem Satz zusammen.

2.      Was wollte H in seiner Antwort zum Ausdruck bringen?

3.      Wie versteht M die Antwort von H?

4.      In welchem logischen Zusammenhang steht der letzte Satz von M („Aber …“) mit dem vorher Geäußerten?

5.      Formuliere eine klärende Stellungnahme, die geeignet wäre, zwischen M und H zu vermitteln.

(Blog-Eintrag Nr. 244)