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Unbedenklich – Schüler als Mailer

Man kann die Eltern verstehen, wenn sie sich darum sorgen, dass ihre Kinder nicht dem Datenmissbrauch im Internet ausgeliefert werden. Daher ist es auch sinnvoll, wenn in der Realschule in Rutesheim über die Frage diskutiert wird, ob die Einrichtung einer kostenlosen Mail-Adresse zur Pflicht gemacht werden kann. (Stuttgarter Zeitung vom 22.10.09)
Jeder, der, wo auch immer, an elektronischen Aktionen teilnimmt, erzeugt Daten. Und die können immer zweckentfremdet benutzt werden, wenn sich die Verwalter der Daten nicht an die Gesetze halten. Das gilt für Firmen, die uns etwas verkaufen, für Banken und Sparkassen, Behörden und Vereine. Und auch für Schulen.

Rechtlich interessant ist die Frage, ob sich die Schüler weigern dürfen, wenn ihr Lehrer eine solche Teilnahme am Mailen verlangt. Berührt das die Intimsphäre, über die jeder selbst bestimmen kann? Ich denke schon. Im Prinzip kann die Schule auch ins Persönliche der Kinder eingreifen, denn sie hat nicht nur einen Bildungsauftrag, sondern soll auch erziehen. Daher kann man von den Schülern die Abfassung eines Lebenslaufs, das Schreiben von Briefen oder Gedichten und die Kundgabe einer Meinung verlangen. Diese Äußerungen verbleiben allerdings im engen Rahmen der Klasse und ihrer Lehrerinnen und Lehrer. Eine persönliche Adresse, die man einer Firma für den Versand kostenloser E-Mails mitteilt, verlässt den schulischen Rahmen. Unterstellt man diesen Firmen, dass sie grundsätzlich ihren Profit über den zugesicherten vertrauensvollen und dem Gesetz gemäßen Umgang mit Daten stellen, kann nur absolute Abstinenz bei der Bekanntgabe persönlicher Daten helfen.

Wollen wir den Kindern dieses Bild vermitteln und sie im Geiste abgrundtiefen Misstrauens erziehen? Die Schule soll aufs wirkliche Leben vorbereiten. Das kann sie glaubhaft nur, wenn sie keine Berührungsängste mit der realen Welt kultiviert. Sonst nutzt sich das „so tun als ob“ bald ab und es stellt sich eine pädagogisch tödliche graue Langeweile ein.

Was also sollen die Lehrkräfte tun? Den Eltern und Kindern zu Beginn des Schuljahrs ankündigen, was sie im Rahmen der (vorgeschriebenen) Medienerziehung vorhaben, Bedenken der Eltern anhören und ernst nehmen, den Schutz der Intimsphäre zusichern, auf die Einübung der informationellen Selbstbestimmung als Aufgabe der Schule hinweisen, aber auch für den „Mut zur Wirklichkeit“ plädieren. Wenn Schüler lernen, „richtige“ Mails zu schreiben, ist das nicht nur unbedenklich, sondern auch „etwas fürs Leben“, auf das Elternhaus und Schule sie vorbereiten sollen.

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Unbetreut – Schule in den Ferien

In einem zwar gut lesbaren, aber weitgehend im Unklaren stochernden Bericht der Stuttgarter Zeitung (vom 15.10.09) wird das Ergebnis des Gemeindetags in Wiesloch zusammengefasst. Im Zentrum stehen die Aussagen des Ministerpräsidenten. Die Schlagzeile lautet: „Oettinger bietet Kommunen Pakt an“. Der Leser erfährt, dass in der Frage des Finanzbedarfs „für die flächendeckende Einführung des Orientierungsplans in Kindergärten“ zwischen der Kostenschätzung der Gemeinden (650 Mio. Euro) und der des Regierungschefs (unter 200 Mio. Euro) eine Differenz von über 450 Mio. Euro bestehe. In der Politik nennt man solche Zahlenverwirrspiele „Poker“, ist zu lesen. Der geneigte Bürger fragt sich eher, ob hier mathematische Analphabeten am Werk sind.

Im vorletzten Abschnitt wird die Forderung des Gemeindetagspräsidenten referiert, dass Bürgermeister für eine „dritte Amtszeit“ einen „Zuschlag“ bekommen sollten, weil sie damit dem Land Geld sparten. Noch billiger fürs Land wäre es, wenn man bei der ersten und zweiten Amtszeit einen „Abschlag“ erhöbe.

Am Schluss des Artikels heißt es, dass Oettinger am Schluss seiner Rede den Bürgermeistern ins „Stammbuch“ geschrieben habe, sie sollten dafür sorgen, dass „künftig in den Schulen auch in den Sommerferien eine Betreuung organisiert werde.“ Wozu, zur Entlastung der Familien? Was heißt „betreuen“? Sollen die Kinder auch in den Ferien in die Schule, dort aber keine Schule haben, sondern unter Aufsicht spielen? Soll das Schulhaus in den Ferien eine Art Sommercamp oder Waldheim werden? Wann findet dann der obligate Großputz statt? Und wann wird Defektes repariert? Wer soll die Kinder betreuen? Lehrerinnen und Lehrer, ehrenamtliche Mitglieder des Sportvereins oder des CVJM? Woher sollen die Kommunen das Geld für das Betreuungsangebot nehmen?

Ob die Schüler ihre Schule wohl so schön finden, dass sie auch die Sommerferien dort verbringen wollen? Der Stammbuchsatz des Ministerpräsidenten klingt markig und familienfreundlich, aber welche praktischen Konsequenzen wird er haben?

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Ungetrennt – Religion in der Schule

Auch wenn ich ihr oft zustimmen muss, wenn sie vehement die Verirrungen der Politik geißelt, diesmal muss ich ihr widersprechen, der Kolumnistin Krause-Burger, wenn sie (in der Stuttgarter Zeitung vom 6.10.09) fordert, dass man „an staatlichen Schulen die Ausübung der Religion um der Kinder willen heraushalten“ soll. Diese „Riten“ führten in der Schule zum „Chaos“ und machten sie zum „Schlachtfeld“. Man dürfe „es mit der Toleranz nicht zu weit treiben“. Das gelte auch dann, wenn „es juristisch anfechtbar“ sei. Starke Worte.

Häckerling meint, hier wird das Kind (der in einer Berliner Schule betende Muslim Yunus“) mit dem Bade ausgeschüttet. In Baden-Württemberg ist die Jugend „in Ehrfurcht vor Gott“ und „im Geiste christlicher Nächstenliebe“ zu erziehen, so verlangt es die hiesige Verfassung im Artikel 12. Das hat nicht nur im Religionsunterricht zu geschehen, sondern in jedem Fach. Es handelt sich dabei nicht um die „Ausübung der Religion“, sondern um die Erziehung „auf der Grundlage christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte“. Das mag fremd klingen, aber es ist in diesem Bundesland geltendes Recht. Zur Beugung dieses Rechtes aufzufordern steht auch einer kritischen Journalistin nicht gut an.

Aber was will die Kolumnistin eigentlich? Die Abschaffung des Religionsunterrichts und die allgemeine Einführung eines „neutralen“ Ethikunterrichts? Ein Kopftuchverbot für muslimische Mädchen? Das Untersagen meditativer oder als Gebete deutbarer Phasen im Unterricht oder in den Pausen? Das Gebet bestimmt den Schulalltag (noch) nicht, aber die Aufarbeitung schlimmer Ereignisse (Unfalltod, Suizid von Schülern, Katastrophen, Amokläufe) ist in der Schule hilfreich nur möglich, wenn Elemente der „Ausübung von Religion“, also zum Beispiel auch Bekenntnisse gläubiger Hoffnung und Zuversicht, erlaubt sind und nicht – wie Frau Krause-Burger es will – „um der Kinder willen“ aus der Schule „herausgehalten“, also verboten werden.

Gebete und andere Riten können wir in der Schule durchaus noch aushalten. Wenn man sie untersagt, verschwindet wahrscheinlich auch der letzte Rest an Werteorientierung – und die Diskussion darüber.