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Tramp

Bei Karl May gelten die Tramps als fiese Unterschichtige, gegen die einer wie Old Shatterhand mit allen Mitteln erfolgreich zu Felde zieht. Nun haben sie in Amerika einen Tramp an die Spitze ihres Staates gewählt. Gegen ihn wird kein Karl-May-Held ankommen. Warum die Amerikaner so gewählt haben, darüber rätseln die hiesigen Kommentatoren (eigentlich die Toren in diesem Fall) und die Wissenschaftler (eigentlich die Unwissenden). Was uns zu diesem Ereignis erzählt wird, klingt alles andere als überzeugend. Der Gewählte sei gegen das Establishment zu Felde gezogen – seit wann ist ein Milliardär nicht aus diesen etablierten Kreisen? Er habe den Ton getroffen und den Globalisierungsverlierern eine Stimme gegeben – ein Immobilienverkäufer hat doch sein Geld gerade damit verdient, dass in den USA die Subprime-Kredite erfunden wurden, die man auch hierzulande gehandelt hat. Er sei so erfrischend, heißt es, in dem, was er sagt und wie er es sagt: unverblümt, unverschämt, ungezogen – das also soll der neue Typ von politischen Führern sein? Der Tramp habe keine Ahnung vom politischen Betrieb, heißt es – unsere Zukunft liegt also in den Händen von Ahnungslosen und ungebildeten Geschäftemachern. Ein aufbauender Gedanke! In Europa triumphiere die politische Rechte, wird berichtet. Was für ein Szenario! Welche neue Welt werden diese Mauerbauer und Deutschland-Rufer, diese Abgrenzer und Ausweiser, diese Parolengläubige und Hassprediger uns schaffen?

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Reformation

Nun arbeiten sie sich in allen Medien an Martin Luther ab. Die einen stilisieren ihn zum protestantischen Heiligen, andere werden nicht müde, seinen Antisemitismus zu geißeln. Dabei gerät etwas aus dem Blick, was er wollte: eine bessere Kirche, keine, die sich selbst als das Wichtigste ansieht, deren Hierarchie alles Spontane erstickt, die mehr am Geld der Gläubigen als an deren Seelenheil interessiert ist. Da jede Organisation Gefahr läuft, zu verkrusten und sich selbst für überaus wichtig zu halten, ist das Wort von der Kirche, die ständig zu reformieren sei, auch heute noch relevant. Der Oberkirchenrat der württembergischen Landeskirche sollte sich daran auch immer wieder erinnern. Mir kommt es jedenfalls so vor, als habe man sich dort von der kirchlichen Basis ziemlich weit entfernt. Die Beispiele behalte ich heute mal für mich. Was Luther angeht, so habe nichts gegen ihn. Seine Übersetzungs- und Sprachschöpfungsleistung ist bewundernswert. Ob die neuerliche Revision der Luther-Bibel nötig war, sei dahingestellt. Aber sie per Vorschrift in den Gemeinden zu verankern, das geht nicht. So schön die Luther-Sprache auch ist, sie stammt aus dem 16. Jahrhundert und läuft dem Empfinden des heutigen Menschen manchmal sehr zuwider. Manche Passagen aus den Paulusbriefen sind, vorgelesen, schlicht unverständlich. Wenn es Luther wichtig war, die Bibel dem normalen Leser verständlich zu machen, muss sie in der Sprache des 21. Jahrhunderts zu Wort kommen. Von einer lebendigen protestantischen Kirche erwarte ich, dass sie unter Berufung auf dieses Wort dem Leben, der Freiheit, der Vielfalt, der Offenheit gute Bedingungen schafft, dass sie ehrlich ist, eine deutliche Sprache spricht, dass sie bekennt und einsieht, es nicht allen recht machen zu können. Eine lebendige Kirche setzt sich für die Rechte derer ein, die benachteiligt sind und Unterstützung brauchen. Sie stellt sich gegen jene, die nur an ihren Profit denken. Sie trägt dazu bei, dass der Globus nicht zerstört wird.