Was treiben wir doch für einen Kult um den Wechsel des Jahres! Beim Einkaufen der für den Silvesterabend obligaten Zutaten wird spätestens an der Kasse ein guter Rutsch gewünscht, im Radio muss jeder, der ansagt oder moderiert, das kommende Jahr beschwörend ein gutes nennen. Politisch Tätige würden sich einer schweren Unterlassung schuldig machen, wenn er oder sie nicht angesichts des neuen Kalenderblatts öffentlich äußerte, die Kanzlerin vorneweg. Da werden wir ermahnt, Ruhe und unsere Lebensweise zu bewahren, keine Hassgefühle zu entwickeln, uns als Deutsche zu fühlen, aber auch an die Not der Welt zu denken. Das könnte man natürlich jeden Tag sagen, aber nur beim Jahreswechsel ist es offenbar wichtig. Leider passieren solche erheiternden Fehler wie zu Kohls Zeiten nicht mehr, als man aus Versehen das Band vom Vorjahr in die Abspielmaschine geschoben hat. Nur wenige haben etwas gemerkt. Zu den üblen Machenschaften an Silvester gehört das Zündeln mit Feuerwerk. Noch Wochen später findet man auf der Straße und im eigenen Garten Reste von Böllern und Raketen. Über die Nachricht, dass bei dieser Jahresendaktion ein beträchtlicher Teil des jährlichen Feinstaubs erzeugt wird, wird nur gelächelt. Wenn es ums Vergnügen geht, duldet der deutsche Mensch keine Einschränkungen. Daher dürfen die Polizisten sich heute nicht erholen. Nachdem sie wochenlang Weihnachtsmärkte bewacht haben, werden sie an Silvester eingesetzt, um den Massenaufläufen in den Großstädten Schutz zu gewähren. Köln will diesmal keinen Fehler machen. Zum Glück stehen heute und morgen keine Fußballspiele an. Häckerling meint: Statt der vielen Reden zum neuen Jahr wären ein paar seit langem geforderte Taten nicht schlecht. Private Feuerwerke gehören verboten, das Knallen zumal – böse Geister, die man damit vertreiben könnte, gibt es heuer nicht mehr. Wer es unbedingt braucht, dem wird an zentraler Stelle ein von der Kommune organisiertes Lichterspektakel geboten. Wer schlafen will, darf es, sogar das Haustier.
Monat: Dezember 2016
Schreibmethodenstreit
Wer bestimmt, nach welcher Methode in der Schule unterrichtet wird? Der Streit um diese recht grundsätzliche Frage ist wieder einmal ausgebrochen. Die zuständige Ministerin vertritt die Meinung, dass die derzeitige Praxis der Vermittlung des Schreibens in den Grundschulen korrigiert werden müsse. Ein Aufschrei der Erziehungsgewerkschaft war die Folge. Man verbitte sich die Einmischung. Die Lehrer wüssten am besten, auf welche Weise man Kinder mit dem richtigen Schreiben vertraut mache. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf das Schulgesetz des Landes, das im Paragrafen 38 den Lehrenden die Freiheit der Unterrichtsmethode zuspreche. Das ist richtig und falsch zugleich. Jeder Lehrer hat im Rahmen der Ausbildung auch eine Einführung ins Schulrecht und erfährt dabei, dass es eine ganze Reihe von Instanzen gibt, die dieser Freiheit Grenzen setzen: Konferenzen können Beschlüsse fassen, die umzusetzen sind, der Schulleitung steht es zu, Weisungen zu erteilen, die auch die Methode betreffen, die Bildungspläne machen nicht nur inhaltliche, sondern auch methodische Vorgaben und die Vorgesetzte aller im Lande Lehrenden, die Ministerin, kann selbstverständlich auch bestimmen, was sein soll und was nicht. Man gestatte mir als langjährigem Schulrechtsdozenten die Bemerkung, dass im § 38 des Schulgesetzes nicht von „pädagogischer Freiheit“ die Rede ist, sondern von der „unmittelbaren pädagogischen Verantwortung“. Die Wörtchen „unmittelbar“ und „Verantwortung“ schränken die große Lehrerfreiheit beträchtlich ein.
Man merkt es erst auf den zweiten Blick. Das (oder auch der) Blog Häckerling ist umgezogen, hat den freidemokratischen Hafen verlassen und sich in die Selbstständigkeit begeben. Diese Emanzipation hat keinen politischen Grund, sondern einen praktischen: Wer selbstständig ist, hat sowohl ästhetisch als auch rhetorisch mehr Freiheit. Nicht dass die Partei in meine Texte eingegriffen hätte, das wäre ganz gegen ihr Leitbild, aber beim Schreiben nimmt man doch unbewusst Rücksicht auf die liberale Beschlusslage. Auch wenn der Häckerling nun ohne diesen Background agiert, bleibt er doch seinen Prinzipien treu. Er ergreift Partei, er drischt auch künftig auf Zustände ein, die er für Missstände hält. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, auch wenn sich dort der Schaum der Wut zeigt. Das klingt vielleicht wie eine Annäherung an die Hasstiraden der sozialen Netzwerke, ist es aber nicht. Der Respekt für jene, die – oft unter schwierigen Umständen – politische Entscheidungen treffen müssen, wird mich immer begleiten, auch wenn ich die Entscheidungen für falsch halte. Denn mir ist bewusst: Auch ich kann irren. Aber ein Irrender ist kein Irrer.