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Gehemmter Informationsfluss

In einer Gesellschaft, die in Informationen schier ertrinkt, fühlt man sich schnell desinformiert. Die baden-württembergischen Schulleiter beklagen heute in der Zeitung dieses Los. Sie fühlen sich von ihrer Führung nicht wertgeschätzt, weil sie schulische Neuigkeiten aus den Medien erfahren und nicht von der Schulverwaltung. Nun ist Häckerling alt genug, um zu wissen, dass dies schon immer so war. Der Kanal zwischen dem Ministerium und der Schulleitung war noch nie sonderlich belebt. Statements der Vorgesetzten in der Presse, im Fernsehen und Interviews im Rundfunk sind die traditionellen Wege, schulische Neuigkeiten zu verbreiten. Das hat einen einfachen Grund: Die Öffentlichkeit ist der Resonanzkörper der Politik, die Medien sind die Verbreiter ihrer Pläne. Die Schulen, deren Leitungen und die Kollegenschaft, sind nachgeordnete Behörden, ausführende Organe, weisungsgebundene Institute, die gefälligst zu warten haben, bis Ihnen Dienstanweisungen zuteilwerden. Minister (und Ministerinnen) sind schnell dabei, etwas zu verkünden, die Verwaltung braucht geraume Zeit, bis sie diesen raschen Sätzen zu folgen vermag, denn flott Gesagtes verwaltungsfest zu verschriftlichen, das braucht seine Zeit. Wenn sich unsereins recht erinnert, bedurfte es vor Ort selten der behördlichen Anordnung, denn fürs Leiten einer Schule genügt meist der gesunde Menschenverstand. Der Gehorsam gegenüber den Weisungen der Vorgesetzten ist wichtig, aber eher nachrangig. Wer vermittelt den Schulleitern von heute diese alte Erfahrung?

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Ungezügelte Ungeduld

Die Corona-Routine trügt. Zwar kann man sich das Fernsehprogramm ohne die täglichen Extra-Sendungen nach den Nachrichten, Talkshows ohne Virus-Diskussionen, den Samstag ohne Bundesligaberichte und die Aufmunterungen nach dem Muster „Bleiben Sie gesund“ kaum mehr vorstellen, aber man spürt trotzdem eine zunehmende Gereiztheit. Der tägliche Zahlenreport (Neuinfizierte, Tote, R-Wert) signalisiert Entspannung, aber die wird durch allerlei Drohungen („zweite/dritte Welle“) konterkariert. Eigentlich dürften Kinder wieder in die Kitas, aber selbst der sonst so sanfte Sindelfinger OB reagiert gereizt. Wie kann man ohne eine entsprechende Verordnung so etwas verantworten? Schuldzuweisungen haben Konjunktur. Täglich wird jemand identifiziert, der versagt oder die Krise beflügelt: den Gesundheitsämtern fehlt das Personal, die Virologen sind sich nicht einig, der Gesundheitsminister will die deutschen Menschen unterdrücken, der Finanzminister hat offenbar nur darauf gewartet, endlich die „Reichen“ zur Kasse bitten zu können, Bill Gates hat die Absicht, große Teile der Menschheit zu vernichten, die Chinesen haben uns das alles eingebrockt, Merkel muss weg, das RKI verwickelt sich in Widersprüche, Italien/Spanien/Griechenland stehen vor der Insolvenz und brauchen dringend Geld von uns, „die Politik“ ist schuld am Niedergang der Autoindustrie, der Kultur, des Tourismus, des Gesundheitssystems und damit an der steigenden Arbeitslosigkeit, Palmer will die Alten sterben sehen, die Grünen sind ratlos, die FDP agiert verantwortungslos … Der schwarze Peter kreist so schnell, dass man wirklich nicht mehr weiß, bei wem er gerade ist.

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Wahrscheinliche Ereignisse

In diesen Zeiten geht es um Ursachen und Wirkungen. Klingt kausal, ist es aber nicht. Denn merkwürdigerweise trifft eine Wirkung oft nicht ein, obwohl es Ursachen gibt. Das liegt an der Mathematik, genauer: der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Von ihr hat man in guten Schulen einiges gehört und sogar gelernt, mit ihr umzugehen. In der Medizin wissen wir schon länger, dass aus Ursachen (Rauchen, Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck) mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit Wirkungen folgen (Schlaganfall, Herzinfarkt, Krebs). Diese Wirkungen treten aber nicht automatisch ein. Wer von einer Wirkung (Krankheit) verschont bleibt, obwohl er die Ursachen nicht gemieden hat, der kann sich einfach nur glücklich preisen. Vielleicht ist er einfach besonders robust. Auch beim Wetter gibt es Wahrscheinlichkeiten. Ein angekündigter Regen tritt oft nicht ein, wenn seine Wahrscheinlichkeit nur 30 % beträgt, bei 80 % regnet es schon eher. Auch in Sachen Corona sind wir von Wahrscheinlichkeiten umgeben. Die Ausbreitung des Virus wird verlangsamt, wenn durch Abstandsregelungen und Ausgangssperren die Zahl der Begegnungen von Infizierten und Nichtinfizierten reduziert wird. Auch die vielbeschworene „zweite Welle“ kommt nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Leider schaffen es die Virologen nicht, diese zahlenmäßig zu benennen. Das liegt auch daran, dass sie nicht wissen, wie viele Kontakte zwischen den Menschen tatsächlich stattfinden. Auch die Wirkung des Mund- und Nasenschutzes ist mathematisch nicht genau zu beziffern. Der Aufdruck N95 suggeriert einen 95-prozentigen Schutz. Aber die restlichen 5 % können mich trotzdem anstecken. Manche Menschen möchten mehr Sicherheit aus dem Munde der Wissenschaftler und Politiker. Aber die können sie nicht geben. Tun sie so, als könnten sie es, sollten wir skeptisch sein. Von hoher Wahrscheinlichkeit ist aber auch: Verschwörungserfinder wissen erst recht nichts Genaues, auch wenn sie es behaupten.