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Offene Fragen

In Sindelfingen gab es am 15. November einen zweieinhalbstündigen Geschichtsunterricht im Odeon, dem Saal der Jugendmusikschule. Gesprochen hat der österreichische Historiker Stefan Karner. Sein Thema: Siegfried Uiberreuther. Er war in den Jahren 1938 bis 1945 der mächtigste Mann der Steiermark und ein gehorsamer Diener seiner nationalsozialistischen Herren. Er hat viele Menschen auf dem Gewissen und war vor auch an der Erstellung des sinnlosen Ostwalls beteiligt, der Tausenden jüdischen Mitmenschen das Leben gekostet hat. In Eva Menasses Roman „Dunkelblum“ lässt sich diese üble Geschichte nachlesen. Uiberreuther hat es nach dem Krieg geschafft, sich der fälligen Strafe zu entziehen. Er floh und galt lange Zeit als verschollen. Manche vermuteten ihn in Argentinien. Erst Jahre nach seinem Tod 1984 wurde öffentlich bekannt, dass er mit seiner Familie in Sindelfingen Unterschlupf gefunden hatte. Die Familie bestand aus seiner Frau, einer geborenen Wegener, die Tochter des berühmten Geowissenschaftlers Wegener, und aus drei Söhnen, die alle in Sindelfingen eine neue Identität bekommen haben. Die Firma Bitzer nahm Uiberreuther, der sich nun Schönharting nannte, als Mitarbeiter auf, die Stadtverwaltung Sindelfingen versorgte ihn mit neuen Papieren. Am Ende der Veranstaltung blieben einige Fragen offen: Warum ging der Kriegsverbrecher aus der Steiermark ausgerechnet nach Sindelfingen? Hat er dort in frommen Kreisen Verständnis für seine mörderische Vergangenheit bekommen? Welche Rolle hat der damalige Oberbürgermeister gespielt, den man auch zu den Frommen im Lande Württemberg zählen durfte? Wer hat sonst noch Bescheid gewusst, den Mund gehalten und sich damit der Strafvereitelung schuldig gemacht?

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