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Verschossene Bälle

Als sie den Ball mit dem Kopf ins Tor befördert hatte, lag auch die Spielerin Popp im Tor und wollte oder konnte nicht mehr aufstehen. Ein Bild mit Symbolkraft. Sie haben sich angestrengt, aber der Erfolg stellte sich nicht ein. Besagtes Tor wurde wegen „Abseitsstellung“ nicht gewertet. Nun ist der Deutsche Fußballbund in der Krise und wenn man in die Zeitungen und online-Dienste blickt, ist die Krise gewaltig. Der Fußball war lange Zeit das Sinnbild für deutsche Stärke. Nun siecht nicht diese Sportart, es siecht das ganze Land. Woran liegt es? An vielem, unter anderem an der fehlenden Bereitschaft, sich anzustrengen. Man schaue nur auf die deutschen Bundesjugendspiele. Sie sind zum Ringelpiez mit Anfassen degeneriert. Anstrengung Fehlanzeige. Und in der Schule werden die Anforderungen ständig gesenkt, um den Lernenden Misserfolge möglichst zu ersparen. Der Leistungsgedanke ist so diskriminiert, dass kaum jemand mehr wagt, sie zu erbringen. Aber mit Friede, Freude, Eierkuchen trifft man nichts Tor, sondern verschießt die Bälle. Es heißt, dass in der Arbeitswelt die „Work-Life-Balance“ wichtiger sei als die Karriere. Das klingt gut und ist schön für die, denen diese Balance gelingt. Aber wenn dann die Firmen schwächeln, wenn sie Mitarbeiter entlassen, ins Ausland ziehen oder ganz aufgeben, dann ist der Jammer groß. Auch politisch schießen wir ständig daneben. Offenbar fällt niemand etwas gegen die boomende Rechtspartei ein. Sie schießt Tore, während die demokratischen Parteien im Abseits stehen. Wie die deutschen Fußballfrauen fehlt ihnen das Erfolgskonzept zum Gewinn dieses entscheidenden Spiels um die Demokratie.

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Spaßige Arbeit

Die Aufregung ist groß die Empörung der Lehrerverbände und mancher Lehrkräfte noch größer. Das hat mit seiner Formulierung ein Plakat am Flughafen bewirkt. Es will für den Beruf der Lehrerin und Lehrers werben, nicht bei den Schülern, nicht bei den Studierenden, sondern bei denen, die schon einen Beruf haben. Die sollen nach der Landung auf dem Flughafen umsteigen. Es könnte ja sein, dass ihnen ihre derzeitige Tätigkeit keinen Spaß mehr macht – in der Sprache des Plakats: Sie haben keinen Bock darauf. Das steht links oben, da wo man zuerst hinschaut. Und dann fällt der Blick auf ein üppig geschriebenes „Hurraaa!“ Wer schreit es heraus? Vermutlich die Schulverwaltung, denn sie ahnt, dass diese Menschen mit null „Bock auf Arbeit“ den Spaß suchen. Und sie hat für diese Leidenden eine Lösung: Werde Lehrer oder Lehrerin, denn das macht Spaß. Unsereins fragt sich, woher die Schulverwaltung und die Werbemenschen wissen, dass Lehrer oder Lehrerin zu sein so viel Spaß macht. Häckerling hat es erprobt, jahrzehntelang, und wenn er ehrlich ist, dann gab es dabei auch jede Menge Spaß – aber auch das Gegenteil. Das gilt – nebenbei sei es erwähnt – auch für die Schülerinnen und Schüler. Der Denkfehler oder Werbefehler (oder Webfehler) des Plakats ist nicht das Wort „Spaß“ (bezogen auf die Arbeit), sondern der nicht genannte Ernst. Ohne ihn gibt es keine Lehr- und keine Lernerfolge. Beides gehört zusammen. Ist das Plakat die Aufregung (und Empörung) wert? Nein. Ein bisschen Sommertheater hat natürlich was. Die Werbeleute werden sich die Hände reiben. Wieder ist ihnen – nach „The Länd“ – ein Coup gelungen. Warten wir auf die Wirksamkeit der Aktion. Die lässt sich nämlich messen: an der Zahl derer, die sich nun fürs Lehramt bewerben.

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Ukrainische Geschichte

Wer den Krieg in der Ukraine verstehen will, muss seine Vorgeschichte kennen. Der Harvard-Professor Serhii Plokhy erzählt in „Das Tor Europas. Die Geschichte der Ukraine“ (2023) die Historie seines Landes kenntnisreich und ohne Schönfärberei. Dabei holt er weit aus. Wir erfahren, was zur Zeit der Griechen, Perser und Römer im Land zwischen Donau und Dnipro geschah, welche Rolle das oströmische Byzanz spielte, wie die Mongolen herrschten und wie das erste ukrainische Reich zustande kam, das die Kosaken schufen. Kyjiw (Kiew) war lange vor Moskau ein Macht- und Kulturzentrum. Als dann die russische Hauptstadt erstarkte, begann der jahrhundertelange Zwist zwischen dem Zarenreich und der Ukraine. Im 19. Jahrhundert gab es dort wie im übrigen Europa eine nationale Bewegung. Bedrückend sind die Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Stalin baute seine Industrie auf Kosten der ukrainischen Bauern auf. Das von den Russen noch immer geleugnete Aushungern (der Holodomor) in den 1930er Jahren kostete Millionen Menschen das Leben. Zehn Jahre später setzte das NS-Regime dem Land brutal zu. Über zwei Millionen Menschen wurden in den 1940er Jahren als Zwangsarbeiter ins Deutsche Reich verschleppt – mehr als wir derzeit Flüchtlinge von dort haben. Nach 1990 brach die Sowjetunion zusammen. Die Ukraine wurde ein selbstständiger Staat. Plokhy erzählt von dessen gewaltigen Problemen, der stagnierenden Wirtschaft, der Korruption. Dazu kommt von Anfang an die ständige Bedrohung durch Russland, dessen heutiger Präsident als wiedererstandener Zar das Land im Westen „zurückhaben“ will – mit fadenscheinigen Begründungen. Doch die Mehrheit der Menschen in der Ukraine, betont Plokhy, will nicht von den Russen besetzt und ausgebeutet werden. Sie orientiert sich nach Westen, nach Europa. Ist das Land dort willkommen?