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Gesellschaft Schule

Mangelhaftes Lesen

Leider ist es keine Überraschung, das Ergebnis der neuen IGLU-Studie: Es fehlt einem Viertel der deutschen Grundschüler an den einfachsten Lesekenntnissen. Der Niedergang ist seit dem Jahr 2000 offenbar unaufhaltsam. Jetzt werden wieder die allbekannten Forderungen laut, die Bildungspolitik solle etwas gegen diesen Missstand unternehmen. Man wird nun weiter an den Symptomen herumdoktern, aber das Problem nicht an der Wurzel angehen. Dass es im häuslichen Umfeld an der Fähigkeit und auch Bereitschaft mangelt, so etwas wie Lesekultur zu zelebrieren, ist nicht schnell zu ändern, daher ist vor allem der Ort des Lesenlernens in der Pflicht, die Schule. Es bedarf eines klar strukturierten und allseits bekannten Lese-Curriculums. In jeder Klasse ist der zu erreichende Standard zu definieren, sind den Lehrkräften die notwendigen methodischen Schritte und Ziele zu vermitteln. Dazu gehört vor allem das Üben. Jede Stunde muss auch eine Lesestunde sein. Jedes Kind muss täglich zeigen, was es kann und was noch nicht. Den Eltern und Erziehern wird bei den „Elternabenden“ laufend Bericht erstattet, den Vätern und Müttern in Einzelgesprächen kontinuierlich mitgeteilt, wie es mit dem Können ihres Kindes steht. Wer sich der schulischen Information verweigert, wird „einbestellt“. Da müssen sich die Verantwortlichen einen Ruck geben: Auch Sanktionen dürfen in hartnäckigen Fällen von elterlicher Schulabstinenz nicht ausgeschlossen werden. In Deutschland herrscht Schulpflicht. Es muss peinlich sein, sich als schlechter Leser zu erweisen. Wer die Leselern-Zusatzangebote der Schule nicht annimmt, wird mit sanftem oder stärkerem Druck dazu genötigt. Es muss ein Ende haben mit der Beliebigkeit der Bildungsteilnahme. Gender-Klarstellung: Das gilt für jedes Mädchen, jeden Jungen, jeden Vater und jede Mutter.

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Gesellschaft Kirche

Tiefer Abgrund

Was in den Tiefen der Vergangenheit des bischöflichen Ordinariats in Freiburg verborgen ist und nun allmählich ans Licht kommt, stimmt traurig und macht zornig. Nicht nur, dass viele Kinder, vor allem Knaben, unter Priestern und Ordensleuten furchtbar zu leiden hatten, es war auch gang und gäbe, die Taten zu vertuschen und die Übeltäter der Rechtsverfolgung zu entziehen. Warum das? Weil das „Wohl der Kirche“ bzw. ihr „Image“ wichtiger war (oder ist?) als die Bestrafung der Täter und die Wiedergutmachung an die Opfer. Der Gedanke, dass Erzbischöfe das Recht gebeugt haben, macht gruseln. Dass sie jemals zur Rechenschaft gezogen werden, ist unwahrscheinlich. Ihre Kirche schützt sie auf Teufel komm raus. Jetzt rächt sich, dass man den Religionsgemeinschaften ein eigenes Disziplinarrecht zugebilligt hat. Sie können sich der staatlichen Gerichtsbarkeit entziehen – ein Unrechtssystem im Rechtsstaat. Das ist nicht nur ein Skandal, der auch unsere Demokratie beschädigt, es ist auch der Niedergang einer Institution, deren Aufgabe es einst war, über unser Wertesystem zu wachen, der Politik und ihren Akteuren auf die Finger zu sehen und der Bevölkerung den Weg durch die Krise unserer Zeit zu weisen. Nun hat sich die Sache umgekehrt: Man muss der Kirche, den Kirchen auf die Finger sehen.

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Gesellschaft Politik Recht

Angeklagter Staatschef

Jetzt darf man also den Herrscher im Kreml einen Mann nennen, der unter Anklage steht. Vorgeworfen werden ihm Kriegsverbrechen, zum Beispiel die Verschleppung von Kindern aus der Ukraine nach Russland. Natürlich wird in Moskau gesagt, diese Anklage sei unerheblich. Kinkerlitzchen wie Folterungen oder Zerstörung ziviler Einrichtungen, die Vergewaltigung von Frauen oder das Kidnapping von Kindern interessieren die Männer und Frauen in der russischen Machtzentrale nicht. Also wird Herr P. nicht vor Gericht gestellt werden. Was lernen wir daraus? Staatenlenker stehen über dem Gesetz. Wenn ihnen der internationale Gerichtshof in Den Haag ans Bein pinkelt, ist das allenfalls lästig, aber ansonsten ohne Belang. Was wir in diesem Zusammenhang dieser Meldung auch noch erfahren haben, irritiert noch mehr: die USA, China und Indien lehnen den Haager Gerichtshof ebenfalls ab. Wie ist das zu verstehen? Das heißt doch, dass diese Länder sich das Recht herausnehmen, ungestraft Kriegsverbrechen zu begehen. Die drei Staaten sind offenbar zu groß, um dem Völkerrecht unterworfen zu sein. Das weckt düstere Gedanken. Wir müssen damit rechnen, dass diese Staaten sich einen sich einen Dreck darum scheren, ob ihr Handeln rechtlich in Ordnung ist, dass sie anderen auf etwaige Anklagen mit Hohnlachen reagieren. Arg weit haben es die Menschenrechte und ihre juristische Durchsetzung bisher nicht gebracht. Sowohl Den Haag als auch die Vereinten Nationen sind zahnlose Tiger.