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Kurzer Piks

Das Wort des Tages ist ein Rechtschreibproblem. Auf der ersten Seite der Kreiszeitung vom 28. Dezember findet man zwei Schreibungen des gleichen Substantivs: „Piks“ und „Pieks“. Das ist verwirrend, zumal es das Wort bisher laut Wörterbuch gar nicht gegeben hat, es sich also um eine Neubildung handelt. Wenden wir uns also dem Verb zu: Schreibt man „piken“ oder „pieken“ oder gar „pieksen“. Letzteres, ist zu lesen, sei umgangssprachlich. Bleibt also das Problem, ob das Verb mit „i“ oder „ie“ zu schreiben ist. Da das „i“ lang (gedehnt) zu sprechen ist, läge „ie“ nahe. Aber das meistgekaufte Rechtschreibbuch deutscher Sprache ist für „piken“ und hält „pieken“ für falsch. Der Grund: es handle sich um eine Ableitung von „picken“. Aber woher kommt dann der lange Vokal? Die Frage ist, zugegeben, nicht lebenswichtig und nicht einmal für das Rechtschreibsystem relevant. Sie zu klären bleibt noch viel Zeit, denn es wird noch lange dauern, bis alle, die es wollen, geimpft sein werden. Jeder kann am eigenen Leib spüren, ob der Piks oder Pieks lang oder kurz war. Ob er weh tat oder kaum wahrnehmbar war. Wobei eine andere Frage noch wesentlicher ist: ob er etwas genützt hat. Denn die Unke Karl spricht von erwartbaren Mutationen des Virus, gegen die der Impfstoff nichts ausrichten werde, weil es resistent dagegen ist. Man könnte den Wettlauf zwischen dem C-Virus und der Pharmaindustrie sportlich sehen. Aber der Ernst der Lage verbietet jede Heiterkeit. Lassen wir uns also impfen und halten wir das Piken oder Pieken aus.

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Überforderte Verwaltungen

Rasch sind die Politikerinnen und Politiker mit dem Wort, doch auf der administrativen Ebene stoßen die Realitäten hart aufeinander. Das musste jetzt sogar der zweite Aufsteiger des Jahres (neben dem Gesundheitsminister), der bayerische Ministerpräsident, unerwartet erfahren. Dass man für Massentests nicht nur massenhaft Tests braucht, sondern auch Menschen, die sie durchführen und vor allem ein durchdachtes System der Kommunikation, das wissen Regierende im Prinzip schon. Aber sie delegieren solche Aufgaben gerne „nach unten“. Und wenn es dort unten auf den Falschen bzw. die Falsche trifft, dann ist der Schlamassel da. Der hat natürlich auch einiges mit der deutschen Wirklichkeit zu tun, täglich zu erleben bei Restaurantbesuchen oder beim Eintritt in Bibliotheken. Dort stehen hübsche Bistro-Tischchen. Darauf lagert eine Einführung in die Hygienevorschriften. Zu ihnen gehört auch das Ausfüllen eines Formulars, in das der Name, der Wohnort, die E-Mail-Adresse oder die Telefonnummer einzutragen ist. Die Eintragung erfolgt mit dem bereitgelegten Kugelschreiber. Sollte nun tatsächlich eine Infektion auftreten, muss jemand die zahlreichen Zettel sichten, sich mit Unleserlichem abmühen, die Namen in neue Listen übertragen und hoffen, dass es sich bei den Eintragungen um nichts Erfundenes handelt. Die armen Tester in Bayern sollen derzeit 44000 Zettel durcharbeiten und Listen erstellen, von denen Häckerling inständig hofft, dass sie datenbanktauglich sind. In einem Land, wo Bleistift und Kuli den Höhepunkt digitaler Nutzung darstellen („digitus“ ist ein lateinisches Wort und heißt „Finger“), ist das nicht selbstverständlich. Wie schön wäre es, wenn Politiker nicht nur große Aktionen anleiern würden, sondern sich auch um den Fortschritt im Kleinen kümmerten.

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Digitales Schneckentempo

Der Fortschritt sei eine Schnecke; diese Erkenntnis ist populär. Auch Günter Grass hat sie vertreten. Er war Ratgeber der sozialdemokratischen Partei. Sie können wir aber in Baden-Württemberg nicht verantwortlich machen, dass es im Land beim digitalen Ausbau im Schneckentempo vorangeht. Nun finden das viele überhaupt nicht schlimm, im Gegenteil, denn das mit den Computern ist sowieso Teufelszeug. Da kann es gar nicht langsam genug bei dessen Einführung gehen.  Bei dieser Meinung finden traditionelle Christen und konservative Grüne in trauter Eintracht zusammen. Sie wollen zurück zur Natur. Daher werden Straßen in Radwege umgewidmet, werden Landschaften vor Masten geschützt, die nur den Vögeln schaden, aber sonst nichts bringen. Unterricht über den Bildschirm? Das kann doch nicht wahr sein. Wenn er nicht im Klassenzimmer sein kann, dann lieber gar nicht. Das verpixelte Bild einer Lehrkraft ist der pädagogischen Zuwendung nicht förderlich. Gestern ging eine Erfolgsmeldung durch die Medien: 90 % aller baden-württembergischen Schulen waren auf den digitalen Fernunterricht nicht vorbereitet. Den neuen Standard der Datenübertragung, irgendwas mit 5, kennt man hierzulande nur vom Hörensagen. Im Kampf gegen den furchtbaren elektronischen Fortschritt kann das Land also Vollzug melden. Es ist ihm gelungen, diesen ekligen Modernisierungsschub abzuwehren. Dazu haben auch jene beigetragen, die den Aufbau einer digitalen Lernplattform erfolgreich hintertrieben haben, indem sie den Auftrag unlösbar formuliert und dann einer unfähigen Firma übertragen haben. Wir können also hoffen, dass es in unserem Land so bleibt, wie es ist. Zum Glück ist der Fortschritt eine Schnecke.