Heutzutage wird kein Druck mehr ausgeübt, sondern nur noch gemacht. Das geschieht vor allem in der Politik und immer mal wieder auch bei „Arbeitskämpfen“. Derzeit machen die Gewerkschaften Druck bei den Zeitungen, der Lufthansa, der Telekom und vor allem im sogenannten öffentlichen Dienst. Das Wörtchen „sogenannt“ beziehe ich auf „Dienst“, denn gedient wird da schon lange nicht mehr. Das klänge auch zu obrigkeitsstaatlich oder christlich.
Der Druck von ver.di richtet sich angeblich gegen die öffentlichen Arbeitgeber, im Bund, den Ländern, den Kommunen. In Wirklichkeit sind es „die Menschen“, die unter ihm leiden. Ihre Straßenbahn oder ihr Bus fährt nicht, ihre Kita hat zu, ihr Müll bleibt liegen. Mit diesen „Warnstreiks“ bestraft man jene, die den öffentlichen Nahverkehr benutzen (müssen) und nicht das Auto, die ihre Kinder der Kindertagesstätte und nicht der Tagesmutter anvertrauen, die ihre Mülltonne vergeblich vor die Türe stellen – oder die sich den Luxus einer Tageszeitung leisten. Die Warnung lautet: Verlass dich nicht auf die staatlichen Dienstleistungen, sondern organisiere dein Leben so, dass du diese Dienste nicht brauchst – und auch nicht die Tageszeitung, deren Qualität derzeit ziemlich unterirdisch ist.
Die öffentlichen und nichtöffentlichen Arbeitgeber brauchen nicht mit Warnstreiks gewarnt zu werden, die müssen den Druck auf die Bürger nur aussitzen. Die Innenminister und die Arbeitgeberverbände leiden unter diesem Druck erkennbar nicht. Sie müssen nur ganz entspannt warten, bis die gewerkschaftlichen Rituale abgespult sind und man sich einigen kann. Diese Einigung liegt schon längst fest. Sie wird etwa so ausfallen, wie sie in den Haushaltplänen vorgesehen ist.
Ich bin es leid, der Druckmach-Rituale wegen den gewerkschaftlichen Drückerbanden als Opfer zu dienen.