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Karwochenterror

Man weiß nicht, was sich in den Köpfen dieser Terroristen abspielt. Es ist auch noch nicht klar, warum sie ausgerechnet gestern in Brüssel „zugeschlagen“ haben – das Verb klingt zu harmlos, aber welche Metapher ist hier die richtige? Die Christen befinden sich in der Karwoche. Das ist eine besonders intensive Zeit der Selbstvergewisserung. Ich halte es für denkbar, dass den Bombenlegen diese kalendarische Situation dessen bewusst war. Denn was wollen sie eigentlich? Jedenfalls nicht nur unsere „freie Lebensart“ treffen, wie es in den ersten Kommentaren hieß. Sie wollen auch unsere Religion attackieren. Denn das Christentum ist ihr Feind, wie sie – dieser Satz gehört dazu – auch jede Ausprägung des Islam ablehnen, die nicht ihrer Deutung entspricht. Was stört sie am Christlichen? Vermutlich Jesus, der Christus. Einen Menschen sich als Sohn Gottes zu denken ist in den Augen des Islam ein Sakrileg. Allah ist ohne Konkurrenz in seiner Göttlichkeit. Sein Allmachtsmonopol darf nicht in Frage gestellt werden. Jesus kann man sich als Propheten denken, aber nicht als Gott auf Erden, als Inkarnation des Göttlichen. Diese grandiose Aufwertung des Menschen ist den Terrorfreunden ein Dorn im Auge. Denn damit bekommt der Mensch, das Ebenbild Gottes, wie es in der jüdisch-christlichen Tradition heißt, eine ganz besondere Würde. Man kann ihn nicht mehr einfach abschlachten oder mit Bomben zerfetzen. Denn man tötet damit zugleich Gott. Es geht in diesem Terrorkrieg also in der Tat auch um den Glauben und das von ihm vertretene Menschenbild, es geht um die Frage, was ein Mensch wert ist, darum, ob wir den „Gotteskriegern“ erlauben, uns der „Gotteskindschaft“ zu berauben. Auch darüber kann man in der Karwoche nachdenken.

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Alternaive

Ein Gespenst geht um in Deutschland, eine Partei, die von sich behauptet, sie sei eine Alternative für Deutschland. Und es gibt offenbar genug Naive, die sie ohne Bedenken wählen. Zugegeben: manche dieser Rechtspopulisten geben sich bieder und leutselig-harmlos. Max Frisch hat in seinem Stück „Biedermann und die Brandstifter“ diesem Typ des Harmlos-Naiven ein Denkmal gesetzt. Herr Biedermann lässt die Brandstifter gewähren, weil er sich erfolgreich einzureden vermag, dass diese Typen doch nichts ernsthaft Böses wollen. Wenn man ihnen freundlich begegnet, dann werden sie ihre Drohungen schon nicht wahr machen. Aber Petry und Co. werden nicht zögern. Unter den AfD-Größen gibt es welche, die mir Angst machen. Die Stuttgarter Zeitung stellt heute (17.3.16) einige vor. Da gibt es die Funktionärin in der Thüringer AfD, die behauptet, in unseren Kitas würden die Kinder sexuell manipuliert, die Presse sei gleichgeschaltet und die Zustände hierzulande überhaupt wesentlich schlimmer als einst in der DDR. Solche Figuren schaffen es, mein Bedauern über die deutsche Einigung zu vergrößern. Was kann man tun, um ihnen ihre geliebte DDR wiederzugeben? Jetzt durchsetzt dieses AfD-Gift auch den Westen. Haben wir denn, frage ich mich, alles vergessen, was diese rechtsradikale Clique einst in Deutschland angerichtet hat? Müssen wir jetzt schon wieder diesen nationalistischen Geifer aushalten? Offenbar. Mit Entsetzen musste ich am Montag lesen, dass im hiesigen Wohngebiet die AfD-Klientel einen Stimmenanteil von sachsen-anhaltinischen Ausmaßen hat. Von allen Seiten umgeben sie uns. In der Tat: Die freie Meinungsäußerung ist in Gefahr. Ich werde es mir künftig zwei Mal überlegen, ob ich meine Stimme erhebe angesichts der rechtsgerichteten Population, die mich umgibt.

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Sesselkleber

Was ist bloß aus unseren Politikern geworden? Wenn „früher“ (in den Jahrzehnten nach dem Krieg, als wir noch wussten, was eine Demokratie auszeichnet) jemand eine Wahl verloren hatte, dann nahm er die Verantwortung für die Niederlage auf sich und stellte sofort sein Amt zur Verfügung. Dann fiel auch der wichtige Satz, man wolle einem Neuanfang nicht im Wege stehen. Die neue Generation von Politikern klebt offenbar an ihren Positionen. Sie tun nach dem Wahlverlust so, als sei nichts geschehen, und bleiben fröhlich im Amt. Bei der CDU hat Wolf am Sonntag auf grandiose Weise versagt. Der Wähler hat sein Urteil mit größter Klarheit über ihn gefällt. Ich hätte erwartet, dass er bereits am Wahlabend die Konsequenzen zieht und zurücktritt. Das Ergebnis von Nils Schmid, dem Chef der baden-württembergischen SPD, ist nicht weniger desaströs. Die Nachrichten reden bei den Sozialdemokraten gerne von der „Halbierung der Stimmenzahl“. Aber Rücktritt? Auch bei Schmid Fehlanzeige. Wissen diese Menschen nicht mehr, was sich gehört? Haben sie keinen Funken Ehre im Leib? Haben sie etwa Angst um ihre persönliche Zukunft? Den Verlust von Pfründen? Den sozialen Abstieg? Ist ihnen die Karriere wichtiger als die Demokratie? Man versteht die Welt nicht mehr. Wenn das so weitergeht – armes Deutschland!