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Sesselkleber

Was ist bloß aus unseren Politikern geworden? Wenn „früher“ (in den Jahrzehnten nach dem Krieg, als wir noch wussten, was eine Demokratie auszeichnet) jemand eine Wahl verloren hatte, dann nahm er die Verantwortung für die Niederlage auf sich und stellte sofort sein Amt zur Verfügung. Dann fiel auch der wichtige Satz, man wolle einem Neuanfang nicht im Wege stehen. Die neue Generation von Politikern klebt offenbar an ihren Positionen. Sie tun nach dem Wahlverlust so, als sei nichts geschehen, und bleiben fröhlich im Amt. Bei der CDU hat Wolf am Sonntag auf grandiose Weise versagt. Der Wähler hat sein Urteil mit größter Klarheit über ihn gefällt. Ich hätte erwartet, dass er bereits am Wahlabend die Konsequenzen zieht und zurücktritt. Das Ergebnis von Nils Schmid, dem Chef der baden-württembergischen SPD, ist nicht weniger desaströs. Die Nachrichten reden bei den Sozialdemokraten gerne von der „Halbierung der Stimmenzahl“. Aber Rücktritt? Auch bei Schmid Fehlanzeige. Wissen diese Menschen nicht mehr, was sich gehört? Haben sie keinen Funken Ehre im Leib? Haben sie etwa Angst um ihre persönliche Zukunft? Den Verlust von Pfründen? Den sozialen Abstieg? Ist ihnen die Karriere wichtiger als die Demokratie? Man versteht die Welt nicht mehr. Wenn das so weitergeht – armes Deutschland!

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Vorabsieger

Das Besondere moderner demokratischer Wahlen ist die Bekanntgabe des Ergebnisses vor der Wahl. In den letzten Tagen waren die Medien erfüllt von der Botschaft, dass die Grünen in Baden-Württemberg vor einem „historischen“ Wahlsieg stünden. Zu ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland würden sie bei einer Landtagswahl besser abschneiden als die CDU. Das sei dem Herrn K. zu verdanken, dessen großartige Politik und vor allem sein Charisma die Wähler überzeugt hätten. Auch ich finde Herrn K. nett, seine Politik aber muss ich mit einigen Fragezeichen versehen (Beispiel: Bringt die Gemeinschaftsschule wirklich die Lösung aller unterrichtlichen Probleme oder wird sie auch nur als weiterer Flop in die Schulgeschichte eingehen?). Und ob der Mann Charisma hat, kann ich nicht beurteilen. Mir fehlen dafür die Antennen. Was mich aber besonders nervt am vorab mitgeteilten historischen Wahlergebnis: mein Gang zum Wahllokal hat etwas Sinnloses. Ich stimme ab, obwohl das Ergebnis längst feststeht. Ich habe einen Zettel in die Urne geworfen, den die Demoskopen schon vor dem Einwerfen gezählt haben. Immer häufiger wird nach Wahlen gefragt, warum die Wahlbeteiligung ständig sinke. Dann ist von Politikverdrossenheit die Rede. Dabei lautet die Antwort: Es ist die Verdrossenheit über die Demoskopie. Warum soll man wählen, wenn vorher schon alles feststeht? Warum soll man den Deppen des Wahllokalbesuchers spielen, wenn die Meinungserhebungsinstitute längst vorher wissen, was am Ende (des Wahltags) „hinten herauskommt“? Es gab mal einen verheißungsvollen Ansatz, diesen Unfug zu bekämpfen: zwei Wochen vor der Wahl dürfen keine Umfrageergebnisse mehr veröffentlicht werden. Leider waren die Institute stärker als diese Bestimmung. Politiker aller Bundesländer, vereinigt euch und legt den Demoskopen das Handwerk. Die Demokratie wird es euch danken.

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Parteienfilme

Während normalerweise im Regionalfernsehen des SWR auf die Wetteraussichten noch die Werbung für das Abendprogramm folgt – meistens fahren irgendwelche Landfrauen durch die Gegend oder es wird ein Tatort wiederholt – sind in diesen Tagen vor der Landtagswahl zwischen Wetter und Tagesschau noch kleine Filme der Parteien zu sehen. Das gab es auch schon vor früheren Wahlen, aber damals nervten diese Produkte wegen ihrer penetranten Werbung. Diesmal sind sie besser, hübscher gemacht und sowohl medial als auch inhaltlich überzeugender. Natürlich meinen es die Parteien allesamt gut mit uns, ja mehr: sie wollen nur unser Bestes, aber sie tragen das in ihren „Wahlsendungen“ mit beträchtlichem Charme vor, manchmal sogar mit Humor. Wenn z. B. der Minischterpräsident sich zuerst in seiner Werkstatt mit einem Stück Holz abmüht und dann im dunklen Anzug ins Auto steigt, um in seine Residenz nach Stuttgart zu fahren, dann verblassen alle Sorgen, die man sich um ihn machen könnte für den Fall, dass die Wiederwahl nicht gelänge. Er kann sich dann wieder umziehen und in seine häusliche Werkstatt zurückkehren. Das ist politisch belehrende Unterhaltung im besten Sinne. Gelegentlich überkommt mich das Bedauern, bei der Wahl nur eine Stimme zu haben. Ich würde einer ganzen Reihe dieser Filme einen Preis geben. Eines hoffe ich: dass es diese Kurzfilme schaffen, die Wahlbeteiligung am Sonntag zu erhöhen.