Kategorien
Gesellschaft Gesundheit

Schwedische Gelassenheit

Das verstehe, wer will. Ausgerechnet die Schweden, bekannt für ihren Sicherheitsfanatismus, nehmen den Schutz vor dem Coronavirus locker. In den Schulen wird unterrichtet, in der Gastronomie bedient, in den Kinos kann man Filme sehen. Zur Begründung heißt es, die Schweden setzten traditionell auf Freiwilligkeit und Einsicht. Der Rat in diesen Zeiten lautet: Wer sich schützen will, soll sich schützen, wer sich krank fühlt, soll zu Hause bleiben. Man nehme eine kontrollierte Ausbreitung des Virus bewusst in Kauf, heißt es. Wir wissen nicht, ob die Schweden mit dieser Strategie auf die Nase fallen werden. Erst in ein paar Wochen wird sich zeigen, ob ihr Weg ein fahrlässiger Irrweg ist oder ob die schwedische Freiwilligkeit eine Alternative zu unserer strengen mit Bußgelddrohungen begleiteten Kontaktsperre gewesen wäre. Was soll man sich wünschen? Dass auch uns ein wenig schwedische Gelassenheit gegeben wäre oder dass der deutsche Weg der bessere gewesen sein wird? Wie gut, dass unsere Sprache über das Futur 2 verfügt.

Kategorien
Gesellschaft Kirche

Alltäglicher Tod

Wenn nicht an diesem letzten Tag der Karwoche, an dem manche ans Sterben Jesu denken, wann sonst ist es geraten, sich über das den Tod Gedanken zu machen? Zumal der Tod angesichts der Seuche gerade besonders in den Blick gerät. Am Anfang stehe eine unbestrittene Zahl: 2.500. Das ist die durchschnittliche Zahl der Toten in Deutschland – pro Tag. Ständig sterben Menschen. An Unfällen, an Krankheiten, an Altersschwäche. Darüber regt sich niemand auf. Das ist Alltag. Wer auf Friedhöfe geht, sieht die frischen Gräber. Warum also ist der Tod durch die Corona-Pandemie so ein Thema? Es kann nicht die Zahl der Gestorbenen sein, denn die Opfer von Covid-19 wirken sich auf die Statistik kaum aus. Häckerling vermutet, dass dem Virus etwas gelungen ist, was sonst weder der Unfalltod noch das Sterben an Krebs hinbekommt: dass wir uns mit dem Tod auseinandersetzen. Er wird uns über die Medien frei Haus geliefert. Es ist ein anderes Sterben als das in den Kriminalfilmen. Beim Tatort-Toten wissen wir, dass er fiktiv ist, beim Corona-Toten gelingt es uns nicht, ihn aus dem Bewusstsein zu verdrängen. Was für ein Schauer läuft uns über den Rücken, wenn wir die Särge in Italien, Spanien und nun in den USA sehen? Ein bisschen Erleichterung, ja Zufriedenheit und vielleicht auch Stolz stellt sich, wenn wir erfahren, dass unser System offenbar erfolgreicher im Verhindern des Erstickungstodes ist. Aber auch er findet statt, in manchen Altersheimen oder Kirchengemeinden. Bisher herrschte die übereinstimmende Meinung vor, der Tod werde verdrängt. 2500 Leichen am Tag lassen uns kalt, aber diese besonderen Toten, die Opfer eines vor Kurzem noch unbekannten Virus, sie rücken in unser Bewusstsein, die erinnern uns an die eigene Sterblichkeit, von der wir in der Regel nichts wissen wollen. Passt hier das Diktum vom Guten im Schlechten?

Kategorien
Gesellschaft Gesundheit Politik

Ungenaue Zahlen

Das Verführerische an Zahlen ist ihre Exaktheit. Wenn es heißt, ein Brot  koste 4,50 €, wenn das Fieberthermometer 37,1 Grad anzeigt oder eine Theatervorstellung von 153 Menschen besucht wurde, dann darf man annehmen, dass diese Zahlen der Realität entsprechen. Derzeit werden wir mit Zahlen zu Corona überschüttet. Da redet der Robert-Koch-Sprecher von 102673 Infizierten, 1471 an Covid-19 Verstorbenen und 31289 Genesenen in Deutschland, aber alle heben warnend den Finger. Diese Zahlen seien falsch. Und dann kommt ein magisches Wort: Dunkelziffer. Ihre Besonderheit ist es, dass keiner weiß, wie groß diese dunkle Zahl ist. Man müsse, heißt es, unterscheiden zwischen den nachweislich Infizierten und den unbekannten, weil mangels Test noch nicht entdeckten. Über die Größe der dunklen Zahl gibt es nur Spekulationen. Ist sie doppelt, vier Mal oder acht Mal so groß? Bei den Corona-Toten tappen wir noch mehr im Dunkeln. Sind sie an oder nur im Gefolge des Virus gestorben, war das Virus ursächlich oder nur zusätzlich am Sterben schuld? Noch unklarer ist es mit den Genesenen. Sie müssen nicht gemeldet werden, wird gesagt, sind also allenfalls geschätzt. So wird uns der Glaube an exakte Zahlen ausgetrieben. Dann hört man, die Zahlen von China seien falsch und in Russland gebe es nur deshalb so wenig Infizierte, weil wenig getestet werde. Als Laie fragt man sich: Wenn schon die Zahlen nicht stimmen, was stimmt dann eigentlich von dem, was uns sonst noch Tag für Tag erzählt wird? Die Politik will über den Exit nachdenken, wenn „die Zahlen“ es erlauben. Welche Zahlen?