Kategorien
Gesellschaft Gesundheit Politik

Mutmaßliche Mutanten

Häckerling ist kein Virologe und kein Politiker, sondern nur ein alter Pauker, ein Zeitungs- und ZEIT-Leser, ein also allenfalls durchschnittlich informierter Zeitgenosse. Er ist ein überzeugter Demokrat, hat etwas gegen das Plebiszitäre, bemüht sich um Rationalität und will gerne verstehen, was in diesen Zeiten geschieht. Was er nicht versteht: die innere Logik der Freiheitseinschränkungen. Dabei ist die feinsinnige Unterscheidung zwischen Hundesalons (dürfen öffnen) und Friseurbetrieben (müssen geschlossen bleiben) ein eher skurriles Randproblem. Wie auch die Schließung der Uhrengeschäfte, während Supermärkte Uhren verkaufen dürfen. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind die Schulen geschlossen, weil es dort Menschen (Kinder und Erwachsene) gibt, die dem Virus eine Verbreitungsmöglichkeit bieten. Andererseits sind alle Betriebe offen. Bieten die Menschen dort dem Virus keine Chance? Dem steht entgegen, dass es dort auch Hotspots gegeben hat und gibt. Die Gründe für diesen Unterschied liegen auf der Hand: Gewerbliche Betriebe erwirtschaften das Geld, das der Staat an jene weiterleiten will, die zwangsweise geschlossen haben, Kulturstätten und Lokale. An die Schulen wird nichts bezahlt. Die sind von der Steuerpflicht befreit und tragen nichts zum Bruttosozialprodukt bei. Die Kinder werden zu Hause kostenlos von ihren Eltern betreut. Der Lockdown wird so begründet: Die Zahlen müssen runter (was sie tun) und wir wissen nicht, was die Mutanten anrichten. Hier endet des Schreibers intellektuelle Bereitschaft: Maßnahmen mit Unwissenheit zu begründen, das mag verstehen, wer will. Da könnte man doch auch den Autoverkehr stilllegen. Denn wer weiß, was er in unseren Lungen oder mit dem Klima anrichtet? Wie heißt es doch bei Shakespeare: Unwissenheit schützt vor Torheit nicht.

Kategorien
Gesundheit Politik Recht

Verzögertes Lockern

Man darf in Deutschland alles sagen, aber wehe, man tut es. Der Außenminister hat laut darüber nachgedacht, ob den Geimpften mehr Freiheitsrechte zugestanden werden dürfen. Hätte er geschwiegen, würde man ihm jetzt nicht über den Mund fahren. Natürlich geht es nichts ums Jetzt, sondern um die schöne Zukunft, die bei einer Impfquote über 50, 60, 65 auf uns wartet. Jene Zukunft, die als Licht am Ende des Tunnels metaphorischen Glanz bekommen hat. Man dürfe keine Unterschiede machen, wird der Minister belehrt, dürfe die Ungeimpften keinesfalls schlechter behandeln. Warum eigentlich nicht? Wer sich die Freiheit nimmt, das Impfen zu verweigern, kann für diese Freiheit auch ein Opfer bringen. Ist es nicht so, dass Ungetesteten das Betreten von Pflegeeinrichtungen verwehrt wird? Warum werden hier Unterschiede und das Testen zur conditio sine qua non gemacht? Morgen sollen durch die Kanzlerin-MP-Runde weitere Verschärfungen des Lockdowns beschlossen werden. Die Begründung: Die Zahlen seien weiterhin hoch. Aber sind sie nicht gesunken? Oder sind die täglich veröffentlichten Zahlen falsch? Gibt es nicht Anzeichen für die Wirksamkeit der jetzigen Maßnahmen? Man darf gespannt sein, wie man eine Verschärfung trotz sinkender Inzidenz-Zahlen begründet. Ach ja, die Gesundheitsämter kommen mit der Nachverfolgung nicht nach. Warum nicht? Fehlt es an Telefonanschlüssen, an Helfer*innen? Warum wird die Warn-App nicht besser genutzt? Vor allem werden die Mutanten der Lockerung entgegenstehen? Über die wird viel geraunt, aber keiner scheint etwas zu wissen. Plausibel begründete Politik sieht anders aus.

Kategorien
Gesellschaft Gesundheit Schule

Freiwillige Impfpflicht

Freiwillig“ und „Pflicht“ – passt das zusammen? Ja, nur so fügt es sich sinnvoll. Seine Pflicht zu tun, das wissen wir seit Kant, ist eine autonome Vernunftentscheidung des Individuums. Wer sich nur gezwungenermaßen pflichtgemäß verhält, handelt unfrei. Er ist ein Sklave, ein Opfer, ein fremdbestimmtes Wesen. Schiller sagt es freundlicher: Man soll das Notwendige mit Einsicht tun. Wer sich mit kruden Begründungen vom Impfen befreit, wer dummes Zeug nachschwätzt, um den Piks zu vermeiden, der vergeht sich an der Gesellschaft, der er angehört, die ihn schützt und ihm die Bedingungen einer eigenständigen privaten Existenz ermöglicht. Wasser, Gas und Strom, Verkehrsmittel, ärztliche Versorgung, kulturelle Angebote, schulische Bildung, das alles kann der Einzelne nicht allein hervorbringen. Es ist das Werk des Ganzen, des Staates, der Solidargemeinschaft oder wie wir sie nennen wollen. Die ist derzeit bedroht durch eine Infektion. Das gab es schon früher: Pest und Cholera, Tuberkulose, Pocken und Influenza, Masern und Kinderlähmung – sie alle haben die Menschheit bedroht. Sie zu bekämpfen, gab es oft keine Mittel. Jetzt, gegen Covid-19, gibt es sie. Da gehört es sich einfach, da ist es die Pflicht jedes Staatsbürgers, seinen Teil dazu beizutragen, dass diese Geißel der Menschheit niedergerungen wird. Häckerling weiß, dass die Schulen zurzeit andere Probleme haben, aber die Vermittlung einiger grundlegender ethischer Gedanken der deutschen (und europäischen) Geistgeschichte sollte nicht ersatzlos wegfallen.