Das Präfix ver- gehört zu den variabelsten unserer Sprache. Es gibt Hunderte von Verben, die so beginnen, positiv klingende (versichern, sich vergnügen, vernaschen) und negativ anmutende (verlieren, verletzen, verkrampfen, verraten) oder auch neutral wirkende (verleihen, vermuten, verschieben, verrücken). Zu diesen Neutralen gehört auch das neue Verb „verimpfen“. Es ist so neu, dass es weder dieses Schreibprogramm noch die gängigen Wörterbücher kennen. Gemeint ist ein Vorgang des Verbrauchens: Ein Impfstoff wird heutzutage nicht mehr „ge“-, sondern verimpft. Er befindet sich zunächst in einem Fläschchen, gelangt dann in eine Spritze, wird durch die Haut des Oberarms gepumpt, lagert dort eine Weile subkutan und verbreitet sich anschließend im Körper, wo er seine segensreiche Wirkung entfaltet. Mit dem „ver-“ verbindet sich die Assoziation, dass der Impfstoff möglichst rasch seinem Zweck zugeführt, quasi vernichtet wird und dem Virus, das der Menschheit ziemlich zu schaffen macht, an den Kragen geht oder an seine Ärmchen. Die Impfstoffe sind verschieden, vermutet man, angeblich unterscheiden sie sich in ihrer Wirksamkeit. Daher sind sie auch unterschiedlich beliebt. Einer wird sogar verschmäht und liegt nun ungenutzt in den Kühlschränken. Aber die Politik ist um eine Lösung nicht verlegen: Eine Zielgruppe bietet sich für ihn an, die Lehrerschaft. Die Lehrkörper und die Leiber der Kita-Mitarbeiterschar sind die idealen Empfänger dieses britisch-schwedischen Produkts. Von einem Tag auf den anderen wurden sie als Zielgruppe ausgemacht. Man ordnet sie nun in die Gruppe 2 ein, zu den 70- bis 79-Jährigen, den Polizist*innen und den geistig Kranken. Die Gruppe 2 ist nach der Gruppe 1 mit dem Impfen dran. Aber unter denen gibt es noch viele Volatile, die auf den Piks warten. Aber bald werden wir die Leute der Gruppe 1 vergessen haben. Denen dürfte es irgendwann egal sein, ob sie immun gegen Covid-19 sind. Warum? Es wird sie nicht mehr geben, weil sie inzwischen verstorben sind.
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