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Empörte Ungeimpfte

Sie beharren auf ihrer Freiheit, sich nicht impfen zu lassen. Und in der Tat: Solange es keine Impfpflicht gibt, hat jeder Mann und hat jede Frau das Recht, sich dem Impfen zu verweigern. Gründe muss man dafür nicht angeben. Das unterscheidet das Impfen vom Steuerzahlen. Auch bei den Verkehrsregeln besteht nicht die Freiheit, sich daran nicht zu halten. Eltern haben nicht das Recht, ihre Kinder von der Schule fernzuhalten. Wobei die allgemeine Schulpflicht in Corona-Zeiten ein wenig ins Wackeln geraten ist. Was macht es eigentlich aus, dass es Impfverweigerer gibt? Eigentlich nicht viel. Das Virus verbreitet sich; es hat eher Erfolg bei Nichtgeimpften als bei Geimpften. Da aber Impfstoff-Ablehner das Risiko einer Ansteckung bewusst in Kauf nehmen, muss man nicht traurig sein, wenn dieser Fall eintritt. Diese Menschen gehen davon aus, dass sie die harmlose Covid-Erkrankung locker wegstecken. Und auch das gilt: Sie haben das Recht auf Krankheit. Niemand sollte es ihnen nehmen. Das Dumme ist nur, dass es Kinder unter 12 gibt, die nicht geimpft werden dürfen. Sie haben nicht die Freiheit zwischen Piks und Nichtpiks. Wenn nun die Ungeimpften diese Kleinen stärker gefährden als die Geimpften, ist das ein ethisches Problem. Wenn ich jemand durch mein Verhalten in Gefahr bringe, trage ich die Verantwortung für die Folgen. Aber da kneifen die Verantwortlichen: Wir sind großzügig und ziehen die Gefährder nicht zur Rechenschaft. Lieber lassen wir die Kinder mit Masken im Unterricht herumsitzen, teilen die Klassen, unterrichten sie digital oder gar nicht. Hauptsache, die Impfverweigerer haben ihre Rechte. Die Ungeimpften empören sich über die anstehenden Kosten für Tests. Fällt ihnen nicht auf, dass wir anderen noch mehr Grund haben, uns über sie zu empören?

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Drei Wahlkämpfende

Das Partizip Präsens mag hier durchgehen, weil das ständige Tun, das es impliziert, bei den drei um die Kanzlerschaft Buhlenden unterstellt werden kann. Sie werden tags und nachts und auch noch in ihren Träumen im Wahlkampfmodus sein. Gestern Abend hatte ein Format Premiere, für das eigens ein neues Wort kreiert wurde: Triell, in Anlehnung an das Duell, von dem die Wörterbücher wissen. Einst bezeichnete es den Kampf um Leben und Tod zwischen zwei (weißen) Männern, die ihre Ehre verteidigten. Im Wahlkampf geht es nicht um die Ehre, sondern um die Zustimmung des Publikums, die sich in Wählerstimmen niederschlägt. Die Trielle sollen suggerieren, dass es am 26. September um die Wahl des Kanzlers oder der Kanzlerin gehe. Das ist nicht ganz zutreffend. Es geht um die Wahl von Parteien, die danach untereinander aushandeln, wer mit wem regieret. Das Regieren ist kein Selbstzweck, sondern dient der Umsetzung politischer Ziele, die dem Wohl des Staates und seiner Bürger dienen. Man sollte also annehmen, dass um besagte Ziele und die Mittel zu ihrer Erreichung gerungen wird. Zum Beispiel um eine gerechte Steuergesetzgebung oder um die Minderung des CO2-Ausstoßes oder um die Beschleunigung der Digitalisierung oder um die Vereinfachung der Verwaltung oder um die Reform des Krankenhauswesens oder um die Rolle der Bundeswehr oder um Europa oder … Laut Grundgesetz bestimmt der Bundeskanzler, er sei weiblich oder männlich oder divers, die Richtlinien der Politik, aber in Wirklichkeit sind es die Parteien und ihre Mandatsträger. Denn sie müssen entscheiden, ob sie dem zustimmen, was ihnen die Regierung vorschlägt. Beim Triell handelt es sich also um eine Fortbildung für potenzielle Abgeordnet*innen, die auf diese Weise erfahren, was ihnen der oder die Richtlinienbestimmer*in zur Verabschiedung vorlegen wird. Der Nutzen für den Wähler oder die Wählerin besteht darin, herauszubringen, wem man/frau die Stimme schenken soll. Vor allem aber dient es der Unterhaltung. Wenn drei sich streiten, freut sich das Wahlvolk.

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Bürokratischer Alltag

Der Landrat von der Ahr habe nicht rechtzeitig und eindrücklich vor den Wasserfluten gewarnt, heißt es. Dabei hat er normal gehandelt. Es kommen viele Warnungen über Apps und in den Medien. Selten wird es so schlimm wie angedroht. Warum also soll man die Leute in Panik versetzen? Der Landrat konnte sich nicht vorstellen, dass es diesmal so schlimm werden würde. Er ist in guter Gesellschaft. Auch in Bezug auf Kabul gab es Warnungen: Die Stadt könne rascher an die Taliban fallen als geplant. Aber Diplomaten müssen warnen und Geheimdienste müssen durch Aufgeregtheit ihre Bedeutung stärken. Die Dinge laufen aber erfahrungsgemäß stets weniger dramatisch ab, als die beruflichen Warner es ankündigen. Man kann sich also Zeit lassen. Dass es diesmal anders kommen würde, wer hätte das gedacht? Das konnte man nicht ahnen. Unsere Bürokratien arbeiten zuverlässig, aber langsam. Sie haben Angst, Fehler zu machen. Daher gehen sie bedächtig vor. Das ist nur dann lästig, wenn es tatsächlich schneller gehen müsste. Auch die Schulverwaltung müsste jetzt rascher vorankommen. Der Schutz der Kinder und ihr regelmäßiger Unterricht haben „höchste Priorität“. Im Herbst werden wir sehen, wie flott die Administration gewesen sein wird. War sie nicht flott genug, bekommt sie Hiebe. Aber eigentlich müssten jene ihr Fett wegbekommen, die über die Bürokratie gebieten. Aber die werden sich – wie immer – herausreden. Wie der Landrat von der Ahr oder der Außenminister in Berlin.