Wir müssten uns auf eine lange Kriegszeit einstellen, sagt Herr Stoltenberg. Vielleicht zwei Jahre oder noch länger. Es ist also Durchhalten gefragt, und damit genau das, was unserer Gesellschaft in der Regel fehlt. Wir sind schnell zu begeistern. Themen werden medial aufgekocht und bestimmen die Aufmerksamkeit für einige Zeit. Aber diese Stimmung ist selten nachhaltig. Bald bestimmt der nächste Aufreger die Wahrnehmung. Wir sind es gewohnt, dass heute das eine wichtig ist und morgen etwas anderes. Aber um welche Art des Durchhaltens geht es derzeit eigentlich? Regelmäßiges Spenden zugunsten der Menschen in der Ukraine, die Aufnahme von Flüchtlingen, die bedrohliche Teuerung, die finanziellen Kraftakte des Staates, das Liefern schwerer und schwerster Waffen – und im Augenblick: das Frieren im Winter. Wobei das eher lächerlich ist. Wer es ein Grad weniger warm hat in der Wohnung oder im Haus, muss nicht frieren, sondern sollte sich einen Pullover anziehen. Aber selbst gegen dieses Ansinnen laufen bestimmte Kreise schon Sturm. Sie wollen nicht, dass der Staat die Wohnungstemperatur bestimmt; das sei ein Eingriff in die Freiheit des Bürgers. Allerdings steht im Grundgesetz nichts von einem Recht auf Wohlfühlwärme. Wer es unbedingt sehr warm haben will, damit er bei 10 Grad minus zuhause im T-Shirt herumlaufen kann, soll heizen und zahlen. In Eigentumswohnungen und Mietwohnungen können sich die einzelnen Parteien zusammenrotten und für 22 Grad Wärme demonstrieren. Das kleine Beispiel Heizen wird zeigen, wie es mit unserem Durchhaltevermögen steht. Wenn wir uns in dieser Frage zerfleischen, werden wir bei den größeren Problemen erst recht scheitern, bei der Teuerung vor allem. Aber vielleicht wird auch unser Durchhaltevermögen in der Krise nachhaltiger.
Monat: Juni 2022
Stabiler Klimawandel
Zu den Schäden des Kriegs zählen nicht nur viele Tote, eine große Zahl von Flüchtenden, zerbombte Häuser, eine zerbrochene Infrastruktur, dazu der wachsende Hunger in den armen Ländern sowie steigenden Preise bei uns und anderswo, auch die dringend anstehenden Maßnahmen gegen den Klimawandel werden konterkariert. Die militärischen Aktionen pusten Riesenmengen von CO2 in die Luft. Vielleicht könnte das mal jemand ausrechnen? Russlands Kampf um imperiale Größe ist nicht nur für die Kriegstreiber teuer, auch der Rest der Welt hat hohe Kosten zu tragen. Die einen sterben an Hunger, die anderen spüren es im Geldbeutel. Das Klima geht währenddessen seinen Weg in Richtung Erwärmung, Zunahme von Extremwetter, Artensterben, steigendem Meeresspiegel. Ob das alles auch zu den Kriegszielen des Kreml-Herrschers zählt? Zuzutrauen ist es ihm. Es wird behauptet, dass der Hunger Teil der Kriegsstrategie ist. Schon einmal hat es P. geschafft, Millionen Menschen zum Flüchten zu bewegen, in Syrien. Wenn sich hungrige Afrikaner auf den Weg nach Europa machen, wird man in Moskau Jubelarien singen. Deren Ex-Präsident Medwedew hat verlauten lassen, in welchen Zeiträumen das Land denkt: In zwei Jahren, so seine Prognose, werde es die Ukraine nicht mehr auf der Landkarte geben. Aber den Klimawandel wird es mehr denn je geben. Russland, wir danken dir, dass du dazu beiträgst, die Menschheit in Angst und Schrecken zu versetzen! Denn erst nach der Apokalypse dürfte die Zeit für Demut und Handeln gekommen sein.