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Politische Lügen

Manche glauben der russischen Propaganda alles. Wer ein Freund von P. ist, der nimmt für Wahrheit, was aus seinem Munde kommt. Dem Vernehmen nach wohnen im Osten der Bundesrepublik viele solche Gläubige. Es sind jene, die immer mehr über den Fall der Mauer jammern. Denn damals in der DDR war, so verstehe ich diese Menschen, offenbar vieles besser als es heute in der Bundesrepublik ist. Damals konnten sie noch sagen, was sie wollten. Sie hatten reichlich zu essen, durften reisen, wohin sie wollten, konnten die Kinder in den Horten abliefern und die fröhliche Ostgemeinschaft feiern. Nun leben sie in einem Land, der BRD, die den geliebten P verabscheut. Wir liefern der Ukraine Waffen und untergraben damit das legitime Interesse Russlands, diesen Teil des einstigen roten Imperiums zu beherrschen. Noch schlimmer, wir belegen Russland mit Sanktionen und schaden ihm damit. Auch schaden wir uns selbst, weil die Energie, die wir einst so billig von unseren russischen Freunden bekommen haben, nun so furchtbar teuer ist. Und jetzt stellt sich auch noch heraus, dass die Ukraine Atomwaffen baut, dass sie zusammen mit den Engländern russische Schiffe beschießt. Schlimme Terrorakte! Und dann verbreitet man im Westen auch noch die Lüge, dass Russland zivile Ziele angreift. Dabei inszenieren die Ukrainer das alles selbst, um Russland schlecht zu machen. Eine Ostfrau sagte bei „Hart, aber fair“, wenn die Amerikaner nicht eingegriffen hätten, gäbe es keinen Krieg. Dann wäre Kiew längst von Russland besetzt. Man sieht ja in Belarus, wie gut das für das Volk ist. Häckerling ist fassungslos, aber wahrscheinlich auch nur verblendet von der westlichen Propaganda. Es kommt ihm in den Sinn, dass es ein schlimmes Unrecht war, die DDR in die Bundesrepublik aufzunehmen. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, das Gebiet östlich der Elbe weiter unter russischer Herrschaft zu belassen. Dann wäre allen geholfen: Die Bürger dort müssten nicht unter uns leiden, es ginge ihnen gut. Und auch P wäre zufrieden. Sogar Öl und Gas käme weiter zu niedrigen Kosten zu uns. Eine Win-Win-Situation.

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Gesellschaft Klima

Sommerlicher Herbst

Gewiss hat es einen derart warmen Spätoktober auch früher schon gegeben. Die Wetterleute werden ihn in ihren Statistiken ausmachen können. Aber vor dem Hintergrund des Klimawandels mutet eine solche Abweichung nach oben bedrohlich vor. Natürlich hat die Wärme auch ihre Vorteile. Wir verbrauchen weniger Gas und die Speicher können weiter gefüllt werden. Das nährt die Hoffnung, dass wir den Winter einigermaßen überstehen. Aber was handeln wir uns damit ein? Dieser Tage verstörte die Meldung, dass es nicht mehr möglich sein werde, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. 2,5 Grad Erwärmung seien wahrscheinlich. Was das bedeutet, wissen wir längst, wahrhaben wollen wir es allerdings nicht. Befragungen der Bevölkerung haben ergeben, dass inzwischen die Angst vor den Folgen der Inflation, überhaupt die Existenzängste, die Klimasorgen verdrängt haben. Will sagen, aktuelle Notlagen verdrängen die eine große Notlage, die unser Leben auf dem Planeten betrifft. Das macht es der Politik leichter, mit CO2-Vermeidungsbeschlüssen kürzer zu treten. Ein großer Teil der Wählerschar wird es ihnen danken. Aber ist es den Menschen zu verdenken, dass ihre Sorgenkapazität begrenzt ist? Wer besorgt ist, in dessen Kopf hat nicht viel anderes Platz. Wenn die Rente knapp ist, spielen ferne Kriege keine große Rolle. Wenn der Bau des geplanten Eigenheims zu teuer wird, wird das Klima zur Nebensache. Man mag diese menschliche Schwäche beklagen, ändern lässt sie sich kaum.

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Geschichte Politik Wirtschaft

Putin’sches Netz

Catherine Belton ist ein ausgewiesene Kennerin der Moskauer Machtverhältnisse: Putins Netz. 2022. Verlag Harper-Collins Die Autorin hat dort sechs Jahre für die Financial Times gearbeitet. Seit Langem recherchiert sie über Putins Rolle im KGB, der heute FBS heißt. Das Ergebnis steht in dem umfangreichen Sachbuch „Putins Netz“. Es ist 2022 im Verlag Harper-Collins erschienen. Der sowjetische Geheimdienst KGB hatte den Zusammenbruch der Sowjetunion (1991) lange erwartet und entsprechend vorgesorgt. Man transferierte Milliardenbeträge per Geldwäsche ins Ausland und bereitete sich auf einen russischen Kapitalismus vor. Clevere Geschäftsleute entwickelten sich unter Aufsicht des KGB zu superreichen Oligarchen, die sich die wichtigsten Einnahmequellen des Landes (Gas, Öl und andere Rohstoffe) sicherten. Doch dann wurden diese Männer den Leuten um Putin zu reich und zu mächtig. Er hatte 1970 als Präsident die Nachfolge Jelzins angetreten und verfolgte nun das Ziel, die politische und wirtschaftliche Position des Geheimdienstes zu stärken. Man warf Oligarchen wie Chodorchowski ins Gefängnis und besetzte die Machtpositionen zunehmend mit Geheimdienstlern aus dem Umfeld Putins. So entstand sein „Netz“. Die Macht im heutigen Russland liegt ganz in Putins und seiner Anhänger Händen. Die Parteien und das Parlament haben nichts zu sagen. Schon früh kultivierte man die Vision, dass der Kollaps des Sowjetreiches rückgängig zu machen sei. Daher wurden die Autonomiebestrebungen Georgiens und Tschetscheniens brutal niedergeschlagen. In Belarus fand sich ein willfähriger Machthaber. Die Orientierung der Ukraine nach Westen musste unbedingt gestoppt werden. Die Einnahme der Krim 2014 war ein erster Schritt, die des Donbass der zweite. Parallel liefen intensive Bemühungen, den Westen zu destabilisieren. Mit dem KGB-Geld konnte man sich in Firmen und die rechts- und linksradikale Szene einkaufen. Geld floss in die Friedensbewegungen und in Gruppen auf dem rechten Spektrum. Mit der Lieferung von billiger Energie machte man den Westen, vor allem Deutschland, von Russland abhängig. Putins Vorstellung: Der Westen ist dekadent und hat keine Zukunft. Er wird unter den Krisen zerfallen. Der Ansturm von Flüchtlingen aus Syrien (2015) und der Ukraine (2022) werde den Zerfall beschleunigen. Hat er recht?