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Kurzfristige Erkrankung

Man sollte ja meinen, dass die Lokführer nun zufrieden sind und die üppige Gehaltserhöhung ihre Arbeitslust steigert. Die Bahnrealität lässt allerdings daran zweifeln. Am letzten Sonntag durften wir erleben, dass der Anschluss von der S 1 (Herrenberg nach Böblingen) an die S 60 (Böblingen-Renningen) scheiterte, weil die Bahn um 15.04 Uhr ausfiel. Warum? Es gab, so die Durchsage am Bahnsteig, eine „kurzfristige Erkrankung“. Was ist das? Ist der Bahnlenker zu spät vom Mittagsschlaf erwacht? Hatte er einen allergischen Hustenanfall – kein Wunder bei der Wärme – oder sich beim Schälen eines Apfels in den Finger geschnitten? Vielleicht aber war es auch etwas Schlimmes: ein Herzinfarkt zum Beispiel. Da könnten wir ja froh sein, denn derlei Attacken während der Fahrt wären ziemlich bedrohlich. Was einen aber schon wundert: Gibt es bei der Bahn keinen Bereitschaftsdienst, der bei solchen kurzfristigen Erkrankungen einspringt. Offenbar nicht. Wahrscheinlich muss die Bahn nach der Tariferhöhung kräftig sparen. Dafür eignet sich der Verzicht auf eine personelle Notreserve vorzüglich.

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Sportliche Nullnummer

Der deutsche Sportsfreund und auch die Sportsfreundin müssen leidensfähig sein. Nach der fußballerischen Pleite haben wir nun eine leichtathletische. Von ihr hat Häckerling nichts mitbekommen, weil er die abendfüllenden Sendungen der öffentlich-rechtlichen TV-Sender verschmäht hat. Aber nun steht es auch in der Zeitung. Darin ist auch der Grund für die Misere zu lesen: Es fehlt an Geld. Ohne Geld keine Medaillen. So einfach ist das. Überhaupt hat es den Anschein, als ließen sich mit mehr Geld fast alle Probleme lösen. Wenn für die Kindergrundsicherung das Dreifache ausgegeben würde, gäbe es bei den schulischen Leistungen eine entsprechende Steigerung. Wenn man der deutschen Wirtschaft mehr Geld gäbe, ihr zum Beispiel die Energiekosten schenkte, würde sie wieder neuen Schwung bekommen. Fast kein Tag vergeht, an dem nicht mehr Geld gefordert wird: für den Natur- und Artenschutz, für die Verwaltungen, fürs Digitale, für die Sanierung der Deutschen Bahn, für den Ausbau Schnellradwege und der Frauenhäuser, für die Bundeswehr, für die Hotels und Gastwirtschaften, für die Pflegeheime und Krankenhäuser, die Pflegenden, die Schi-Orte, den Frauenfußball, die Leichtathletik, aber das hatten wir schon. Und warum fließt das Geld nicht in Strömen und speist die allseits vertrockneten Kassen? Ich vermute, dass es nicht genug davon gibt. Denn wenn die Wirtschaft schwächelt, wachsen auch die Steuereinnahmen nicht. Aber die brauchen wir, um die vielen Wünsche nach mehr Geld zu erfüllen. Damit ist das Dilemma perfekt: Nur wenn die Unternehmen mehr Geld bekommen, wachsen sie und zahlen mehr Steuern, aber da es am Geld fehlt, um die Wirtschaft damit zu füttern, fällt das Wachstum aus und es fehlt weiterhin am Geld, um die Wirtschaft …

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Putin’sches Netz

Catherine Belton ist ein ausgewiesene Kennerin der Moskauer Machtverhältnisse: Putins Netz. 2022. Verlag Harper-Collins Die Autorin hat dort sechs Jahre für die Financial Times gearbeitet. Seit Langem recherchiert sie über Putins Rolle im KGB, der heute FBS heißt. Das Ergebnis steht in dem umfangreichen Sachbuch „Putins Netz“. Es ist 2022 im Verlag Harper-Collins erschienen. Der sowjetische Geheimdienst KGB hatte den Zusammenbruch der Sowjetunion (1991) lange erwartet und entsprechend vorgesorgt. Man transferierte Milliardenbeträge per Geldwäsche ins Ausland und bereitete sich auf einen russischen Kapitalismus vor. Clevere Geschäftsleute entwickelten sich unter Aufsicht des KGB zu superreichen Oligarchen, die sich die wichtigsten Einnahmequellen des Landes (Gas, Öl und andere Rohstoffe) sicherten. Doch dann wurden diese Männer den Leuten um Putin zu reich und zu mächtig. Er hatte 1970 als Präsident die Nachfolge Jelzins angetreten und verfolgte nun das Ziel, die politische und wirtschaftliche Position des Geheimdienstes zu stärken. Man warf Oligarchen wie Chodorchowski ins Gefängnis und besetzte die Machtpositionen zunehmend mit Geheimdienstlern aus dem Umfeld Putins. So entstand sein „Netz“. Die Macht im heutigen Russland liegt ganz in Putins und seiner Anhänger Händen. Die Parteien und das Parlament haben nichts zu sagen. Schon früh kultivierte man die Vision, dass der Kollaps des Sowjetreiches rückgängig zu machen sei. Daher wurden die Autonomiebestrebungen Georgiens und Tschetscheniens brutal niedergeschlagen. In Belarus fand sich ein willfähriger Machthaber. Die Orientierung der Ukraine nach Westen musste unbedingt gestoppt werden. Die Einnahme der Krim 2014 war ein erster Schritt, die des Donbass der zweite. Parallel liefen intensive Bemühungen, den Westen zu destabilisieren. Mit dem KGB-Geld konnte man sich in Firmen und die rechts- und linksradikale Szene einkaufen. Geld floss in die Friedensbewegungen und in Gruppen auf dem rechten Spektrum. Mit der Lieferung von billiger Energie machte man den Westen, vor allem Deutschland, von Russland abhängig. Putins Vorstellung: Der Westen ist dekadent und hat keine Zukunft. Er wird unter den Krisen zerfallen. Der Ansturm von Flüchtlingen aus Syrien (2015) und der Ukraine (2022) werde den Zerfall beschleunigen. Hat er recht?