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Freiwillige Impfpflicht

Freiwillig“ und „Pflicht“ – passt das zusammen? Ja, nur so fügt es sich sinnvoll. Seine Pflicht zu tun, das wissen wir seit Kant, ist eine autonome Vernunftentscheidung des Individuums. Wer sich nur gezwungenermaßen pflichtgemäß verhält, handelt unfrei. Er ist ein Sklave, ein Opfer, ein fremdbestimmtes Wesen. Schiller sagt es freundlicher: Man soll das Notwendige mit Einsicht tun. Wer sich mit kruden Begründungen vom Impfen befreit, wer dummes Zeug nachschwätzt, um den Piks zu vermeiden, der vergeht sich an der Gesellschaft, der er angehört, die ihn schützt und ihm die Bedingungen einer eigenständigen privaten Existenz ermöglicht. Wasser, Gas und Strom, Verkehrsmittel, ärztliche Versorgung, kulturelle Angebote, schulische Bildung, das alles kann der Einzelne nicht allein hervorbringen. Es ist das Werk des Ganzen, des Staates, der Solidargemeinschaft oder wie wir sie nennen wollen. Die ist derzeit bedroht durch eine Infektion. Das gab es schon früher: Pest und Cholera, Tuberkulose, Pocken und Influenza, Masern und Kinderlähmung – sie alle haben die Menschheit bedroht. Sie zu bekämpfen, gab es oft keine Mittel. Jetzt, gegen Covid-19, gibt es sie. Da gehört es sich einfach, da ist es die Pflicht jedes Staatsbürgers, seinen Teil dazu beizutragen, dass diese Geißel der Menschheit niedergerungen wird. Häckerling weiß, dass die Schulen zurzeit andere Probleme haben, aber die Vermittlung einiger grundlegender ethischer Gedanken der deutschen (und europäischen) Geistgeschichte sollte nicht ersatzlos wegfallen.

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Mediales Analphabetentum

Ein Gespenst geht um in der Welt: der naive Glaube an die Wahrheit von Posts in den sozialen Medien. Wenn die Zahlen stimmen, sind sie besorgniserregend. Dass nämlich rund ein Viertel der Bevölkerung anfällig ist für Unwahrheiten, für erfundene Theorien und dümmliche Weltdeutungen. Dass Menschen für wahr halten, was längst als falsch entlarvt wurde. Wir könnten mit dem Finger auf die USA zeigen, wo ein Präsident verkündet, er habe eine Wahl gewonnen, die er verloren hat, wo ihm Anhänger blindlings folgen und auch vor Gewalttaten nicht zurückschrecken. Aber wenn es bloß im bildungsdefekten Amerika so wäre, könnten wir uns entspannt zurücklehnen. Aber es soll auch bei uns Menschen geben, die sich als Virus-Leugner bekennen, die hinter der Pandemie eine Weltverschwörung wittern und im Impfen den Versuch, uns genetisch zu verändern. Es gibt auch Leugner des vom Menschen gemachten Klimawandels. Es gibt Antisemiten, die hinter allem, was derzeit an Ungutem geschieht, das Weltjudentum als Akteur sehen. Derlei Zeug wird allenthalben verbreitet. Und es wird geglaubt. Es ist Zeit für eine PISA-Studie, die sich der medialen Dummheit annimmt. Hat die Schule versagt? Haben wir mediale Analphabeten herangezogen? Ein Korn Wahrheit steckt darin. Die mediale Bildung ist rudimentär. Wir haben zu wenig Kompetenz im Umgang mit medialer Desinformation vermittelt. Wir haben zu wenig darauf geachtet, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, bei Informationen die Spreu vom Weizen zu trennen, Falsches von Richtigem zu unterscheiden, guten und schlechten Journalismus auseinanderzuhalten. Die Kultusministerkonferenz, von der man derzeit fast nichts hört, hätte hier eine systemrelevante Aufgabe.

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Verwirrende Regelwerke

Was gilt? Das fragen sich die Bundesbürger in diesen Tagen. Selbst wenn man sich große Mühe gibt, wird nicht klar, was man tun muss, um sich auf der richtigen Seite der Seuchenbekämpfung zu befinden. Die beste Lösung: Man sitzt zu Hause, verbraucht die Vorräte und wartet, bis die Pandemie für beendet erklärt ist. Aber das dauere noch eine Weile. Die Milch ist bis dahin sauer. Also muss man in einen Supermarkt gehen. Dort sind Abstände einzuhalten. Das geht aber nicht, weil das Personal beim Auffüllen der Regale die Wege versperrt. Erlaubt ist es, in einem Haushalt zu leben; es ist auch erlaubt, die Post vom Briefträger in Empfang zu nehmen. Darf man selbst Briefe schreiben? Ja, das ist erlaubt. Nur beim Einwurf in den Briefkasten sollte man sich erkundigen, ob das nur mit Maske erlaubt ist. Wer unbedingt raus will, muss vorher mit dem Zirkel einen Kreis um seinen Wohnort beschreiben. Er soll 15 km nicht überschreiten. Die Frage ist, welchen Radius ich bei einer Karte im Maßstab 1:50000 wählen muss. Aber davor muss ich nachsehen, ob mein Landkreis ein Hotspot ist. Dummerweise sind die Zahlen je nach Medium verschieden. Doch dann fällt mir ein, dass sich der Minischterpräsident gegen diese Regelung ausgesprochen hat. Ich darf also auch 20 km in die Ferne schweifen, aber erst morgens ab 5 und abends bis 8. Man sieht auf den Wegen keine Schüler und auch keine Schülerinnen. Die sind also zu Hause. Wahrscheinlich haben ihrer Lehrerinnen und Lehrer ihnen einige hundert Kopien erstellt und in den häuslichen Briefkasten gesteckt. Vielleicht kam das Material auch digitalisiert. Am 18. Januar gibt es wieder Präsenzunterricht. Oder auch nicht. In der Pfalz schreiben sie heute Abitur, in Baden-Württemberg erst im April. Darf ich mich impfen lassen? Nein, ich bin nicht berechtigt. Erst im zweiten Quartal habe ich eine Chance. Die Hotline 116117 ist überlastet. Ich bin es auch.