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Ungetrübt – Optimismus in der Krise

Stimmt: die Überschrift ist mehrdeutig. Aber wer weiß es schon wirklich? Ist der Optimismus in der Krise oder ist er in ihr angezeigt? Die Sindelfinger Zeitung setzt auf Letzteres und hat uns eine Beilage präsentiert, deren Motto lautet: „Hier wird Zukunft gemacht. Gute Nachrichten in der Krise.“ Es handelt sich um eine PR-Aktion für die „25 der innovativsten und erfolgreichsten Unternehmen im Kreis Böblingen.“ Zu denen gehört auch Mercedes. Das ist jene Firma, die ihre C-Klasse woanders bauen und einige tausend Arbeitskräfte abbauen will.

In der Zukunftsbeilage kommt ihr Werkleiter zu Wort, Prof. Dr. Eberhard Haller. Von ihm lässt sich lernen, wie man Optimismus ausdrückt. Der drohende Verlust der C-Klasse wird mit Schweigen übergangen. Dafür wird der Leser sprachlich zugedröhnt. Am Anfang des Interviews gibt sich der Spitzenmanager noch verhalten. Er sei „vorsichtig optimistisch“, was die Zukunft angeht. Am Ende des Textes aber zeigt er sich überzeugt, dass die Firma mit ihren „hervorragenden Produkten für die Zukunft bestens aufgestellt“ sei. Warum? Man hat eine „Vielzahl von erfolgreichen Maßnahmen entlang der Wertschöpfungskette umgesetzt“, zum Beispiel eine „Modulstrategie“. Und vor allem seien es die „neuen innovativen Produkte“, die dazu beitragen, dass man sich „bestens gerüstet“ fühle. Immerhin sei die C-Klasse „zum schönsten Auto Deutschlands gewählt“ worden. Das zeige: „Die Zukunft hat bei uns schon begonnen.“ Denn man investiere „uneingeschränkt und zielgerichtet in die Zukunft“. So werde 2010 „ein neuer Flügeltürer“ auf den Markt kommen. Dieser Sportwagen sei, so Haller, „ein absoluter Höhepunkt“ und „ohne Übertreibung Emotion pur“. Ohne Übertreibung?

Herr Professor Haller zeigt sich in diesem Gespräch als ein unheimlich begeisterter Mann: Er ist begeistert vom Engagement und der Sorgfalt seiner Mitarbeiter, vom „einzigartigen Technologiepaket“ der neuen Flügeltürers und er teilt die Begeisterung der Kunden über die Sparsamkeit des neuen BlueTec Diesel.

Angesichts dieser begeisterten „Emotion pur“ des Werkleiters ist Häckerling eher entgeistert.

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Ungesichert – Türknauf gegen Amoklauf

Wenn etwas Schlimmes passiert ist, sollen Experten darüber nachdenken, wie man eine Wiederholung verhindern kann. Daher hat die Landesregierung von Baden-Württemberg nach dem Amoklauf von Winnenden eine Kommission eingesetzt. Deren Bericht liegt nun vor. Er enthält 83 Vorschläge. Einer davon: die Türen der Unterrichtsräume mit einem Knauf versehen. Dann lassen sie sich nicht mehr von außen öffnen und das im Katastrophenfall Amoklauf empfohlene – sehr problematische – Abschließen von innen würde entbehrlich.

Abgesehen davon, dass diese Maßnahme mit Kosten für die klammen Schulträger verbunden wäre, hätte der Türknauf auch einige unterrichtspraktische Nachteile. Auch erhöht er meines Erachtens die Sicherheit nur unwesentlich.

Viele Schulen verfügen bereits über Erfahrungen mit Räumen, die außen einen Türknauf haben. Man sichert damit zum Beispiel Fachräume und ihr wertvolles Inventar vor unbefugtem oder vorzeitigem Zutritt. Vor einer Türe mit Knauf wartet die Klasse, bis sie von der Lehrkraft hereingelassen wird. Wenn die sich – aus welchem Grund auch immer – verspätet, stehen die Schüler einige Minuten draußen vor der Tür – und sind in dieser Zeit „ungeschützt“. Man kann die Türe des Unterrichtsraums auch nicht gleich wieder schließen, sondern muss sie noch einige Zeit offen lassen, denn es gibt fast in jeder Stunde Schüler, die später kommen. Nicht immer ist das ihre Schuld. Stehen die Nachzügler vor verschlossener Tür, müssen sie anklopfen, damit man sie hereinlässt. Dabei aber stören sie den Unterricht, denn der hat schon begonnen.

Anklopfen können aber auch: ein anderer Lehrer, die Mutter eines Schülers, ein Vertreter der SMV – und ein Amokläufer. Am Klopfen wird man nicht erkennen, ob jemand etwas Böses im Schilde führt. Wenn man aber wissen will, wer draußen steht, muss man die Türe öffnen – es sei denn, sie verfügt über einen „Spion“. Doch der dürfte nur von innen nach außen benutzbar sein, sonst kann er zur Überwachung missbraucht werden. Und das will auch niemand.

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Unbedingt – Jugendamt bei Schulausschluss

Im Expertenbericht zu den Konsequenzen des Amoklaufs von Winnenden (siehe Stuttgarter Nachrichten, 30.9.09) wird offenbar gefordert, dass man bei „drastischen“ Ordnungsmaßnahmen, also vor allem beim Schulausschluss, das Jugendamt hinzuziehen soll. Das ist jetzt schon möglich.

Allerdings sind die entsprechenden Formulierungen im Schulgesetz reichlich verklausuliert. So heißt es im 8. Abschnitt des Paragrafen 90: „Ein zeitweiliger Ausschluss vom Unterricht kann, ein wiederholter zeitweiliger Ausschluss vom Unterricht soll dem Jugendamt mitgeteilt werden, ein Ausschluss aus der Schule wird dem Jugendamt mitgeteilt.“ Diese Steigerung der Modalverben („kann“, „soll“, „wird“ – man könnte hier auch sagen „muss“) ist eher verwirrend und führt in der Praxis dazu, dass man die zuständige Behörde erst auf der letzten Stufe, dem unbefristeten Schulausschluss, informiert. Informieren heißt aber nicht einbeziehen. Das ließe sich einfach ändern. Der Gesetzgeber müsste nur formulieren, dass bei allen Maßnahmen mit Schulausschluss, ob sie nun befristet oder unbefristet sind, das Jugendamt zu beteiligen oder einzuschalten ist.

Die andere Frage, ob nach einer solchen Gesetzesänderung jene Kinder und Jugendliche, die Schwierigkeiten haben, früher erkannt werden und ihnen früher als bisher hilfreiche Beratung zuteil wird, diese Frage ist damit noch nicht beantwortet. Auch das gemeinsame Handeln von Schule und Jugendamt wird, so fürchte ich, nicht alle Lebensprobleme gefährdeter junger Menschen lösen können.