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Distanziertes Einkaufen

Das Einkaufen hat sich verändert. Auf den Wochenmärkten lässt sich das schön studieren. Wo sonst Enge und Gedränge herrscht, sind nun Zwischenräume der bestimmende Eindruck. Die einzelnen Stände stehen weit voneinander entfernt. Manche Marktbeschicker haben Barrieren vor ihren Waren errichtet. Auf dem Boden sind Markierungen im Anstand von gut eineinhalb Metern. Sich selbst zu bedienen ist strikt untersagt. Vor den Verkäufern stehen Menschenschlangen, aber in ungewohnter Choreographie. Die Wartenden sind gehalten Abstand zu wahren, zwei Meter jeweils. Ängstliche oder Menschen ohne Schätzungsvermögen entscheiden sich für die doppelte Entfernung. Das führt zu Verwicklungen, wenn die 10 bis 15 Wartenden zweier Schlangen sich ineinander verschränken. Dann bedarf es der Kommunikation, damit man niemanden verärgert oder gar in der falschen Reihe steht. Die Menschen sind erstaunlich diszipliniert. Man spürt Gelassenheit und Resignation, manchmal auch Humor. Fast niemand trug einen Mundschutz. Die meisten Kauflustigen werden eh keinen haben. Geredet wird wenig, bei zwei Metern Distanz miteinander zu sprechen ist anstrengend. Dabei hätte man sich wahrscheinlich einiges zu sagen.

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Egoistisches Verhalten

Manche halten es für normal und damit entschuldbar: dass jeder sich selbst der Nächste ist. Wenn man im Supermarkt sinnlos Waren hamstert und erst durch Verkaufsbeschränkungen darauf hingewiesen werden muss, dass auch andere Menschen bestimmte Güter brauchen, dann ist das der alltägliche Egoismus im Kleinen. Nun erfahren wir ihn auch auf Länderebene. Deutschland hat es vorgemacht: keine Ausfuhr von medizinischen Artikeln ins europäische Ausland. Auch wenn diese Verfügung bald danach zurückgenommen wurde – es zeigt, wes Geistes auch wir sind. Der Kaufkampf um Schutzkleidung wird mit großer Brutalität geführt. Artikel, die für einen bestimmten Empfänger auf dem Airport bereitstehen, werden von Agenten (oder wie soll man sie nennen?) eines anderen Staats weggekauft. Man zahlt gerne das Dreifache und bootet so die ursprünglichen Empfänger aus. Dass sich die US-Amerikaner bei diesen Aktionen besonders hervortun, verwundert nicht, wenn man sich die Zahlen der in den USA Infizierten ansieht. Sie sind inzwischen drei Mal so hoch wie die in China – gesetzt den Fall, man kann den chinesischen Angaben trauen. Noch nicht vergessen haben wir, dass Trump gerne das Knowhow einer Tübinger Medizin-Entwicklungsfirma exklusiv für die USA erworben hätte. Allmählich wird deutlich, was „America first“ bedeutet: Wildwest-Methoden im Umgang mit anderen Staaten.

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Verschlossene Bibliotheken

Dass Veranstaltungen, bei denen Menschen sich zuhauf begegnen, derzeit nicht möglich sind, leuchtet jedem ein. Unstrittig ist auch, dass man an den Orten, wo man sich die tägliche Nahrung beschafft, Abstand wahrt. Aber Häckerling will nicht in den Kopf, dass die Stätten der geistigen Versorgung zugesperrt sind. Die Buchläden sind zu und die Bibliotheken. Offenbar ist das geistige Wohl nicht so wichtig wie das materielle. Auch Buchhandlungen und Büchereien könnte man unter Wahrung der Distanzen zwischen den Menschen offenhalten. Das fordert jetzt der Schriftstellerverband PEN. Als ich die hiesige Bibliothek mit diesem Ansinnen behelligte, wurde mir eine saftige Belehrung zuteil: Die Schließung ist von Amts wegen erfolgt und daher alternativlos. Sich für eine andere, bessere Lösung einzusetzen, kommt den Herrinnen und Herren über die Buchbestände offenbar nicht in den Sinn. Einen sinnvollen Vorschlag vorzulegen, wie man den geistig darbenden Menschen (und den aufs Abitur Lernenden) die Bücher zugänglich machen könnte, liegt offenbar außerhalb ihrer Vorstellungskraft. Armes Land Baden-Württemberg. Da hat es einen Philosophen als Ministerpräsident, aber keiner kommt auf die Idee, den Buchhandlungen und Bibliotheken grünes Licht für eine coronaadäquate Lösung zu geben. Vorgeschlagen wird von der Administration, wir sollten Bücher über den Versandhandel kaufen, unsere eigenen Bücher zu Hause noch einmal lesen oder in den Onlinekatalogen der Bibliotheken nach guter Lektüre suchen, die noch nicht ausgeliehen ist. Wie traurig!