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Putin’sches Netz

Catherine Belton ist ein ausgewiesene Kennerin der Moskauer Machtverhältnisse: Putins Netz. 2022. Verlag Harper-Collins Die Autorin hat dort sechs Jahre für die Financial Times gearbeitet. Seit Langem recherchiert sie über Putins Rolle im KGB, der heute FBS heißt. Das Ergebnis steht in dem umfangreichen Sachbuch „Putins Netz“. Es ist 2022 im Verlag Harper-Collins erschienen. Der sowjetische Geheimdienst KGB hatte den Zusammenbruch der Sowjetunion (1991) lange erwartet und entsprechend vorgesorgt. Man transferierte Milliardenbeträge per Geldwäsche ins Ausland und bereitete sich auf einen russischen Kapitalismus vor. Clevere Geschäftsleute entwickelten sich unter Aufsicht des KGB zu superreichen Oligarchen, die sich die wichtigsten Einnahmequellen des Landes (Gas, Öl und andere Rohstoffe) sicherten. Doch dann wurden diese Männer den Leuten um Putin zu reich und zu mächtig. Er hatte 1970 als Präsident die Nachfolge Jelzins angetreten und verfolgte nun das Ziel, die politische und wirtschaftliche Position des Geheimdienstes zu stärken. Man warf Oligarchen wie Chodorchowski ins Gefängnis und besetzte die Machtpositionen zunehmend mit Geheimdienstlern aus dem Umfeld Putins. So entstand sein „Netz“. Die Macht im heutigen Russland liegt ganz in Putins und seiner Anhänger Händen. Die Parteien und das Parlament haben nichts zu sagen. Schon früh kultivierte man die Vision, dass der Kollaps des Sowjetreiches rückgängig zu machen sei. Daher wurden die Autonomiebestrebungen Georgiens und Tschetscheniens brutal niedergeschlagen. In Belarus fand sich ein willfähriger Machthaber. Die Orientierung der Ukraine nach Westen musste unbedingt gestoppt werden. Die Einnahme der Krim 2014 war ein erster Schritt, die des Donbass der zweite. Parallel liefen intensive Bemühungen, den Westen zu destabilisieren. Mit dem KGB-Geld konnte man sich in Firmen und die rechts- und linksradikale Szene einkaufen. Geld floss in die Friedensbewegungen und in Gruppen auf dem rechten Spektrum. Mit der Lieferung von billiger Energie machte man den Westen, vor allem Deutschland, von Russland abhängig. Putins Vorstellung: Der Westen ist dekadent und hat keine Zukunft. Er wird unter den Krisen zerfallen. Der Ansturm von Flüchtlingen aus Syrien (2015) und der Ukraine (2022) werde den Zerfall beschleunigen. Hat er recht?

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Geschichte Literatur

Hundertjähriger Zeitblick

In der gehobenen Literaturkritik gilt Isabel Allende als „Königin des Kitsches“. Nur das „Geisterhaus“ findet verbreite Anerkennung. „Violeta“ (Roman 2022. Verlag Suhrkamp) hat die Autorin im Alter von 80 Jahren geschrieben. Die Titelheldin ist zugleich die Ich-Erzählerin. Sie ist 20 Jahre älter als ihre Autorin. Hundertjährig schreibt sie für ihren Enkel Colito ihr Leben auf. Die Sprache des Romans ist eher schlicht. Mit wenigen Strichen wird die Landschaft Südamerikas gezeichnet. Umbrüche im Leben und in der Gesellschaft ihres Landes werden eher beiläufig berichtet. Welches Land die Autorin genau meint, bleibt im Unklaren, die geschilderten politischen Skandale passen auf mehrere Staaten Lateinamerikas. Dort hat die Demokratie wenig Chancen. Autoritäre Regime führen ein Schreckensregiment. Menschen werden verschleppt, gefoltert, getötet, die Angehörigen über ihren Verbleib in Unkenntnis gelassen. Violeta ist während der Grippe-Epidemie 1920 geboren. Sie führt zunächst ein unpolitisches Dasein. Die einst wohlhabende Familie del Valle verarmt als Folge einer Wirtschaftskrise. Der Vater bringt sich um. Die Hinterbliebenen ziehen sich aufs Land zurück. Dort nimmt man die Del Valles wohlwollend auf. Violeta lebt dort in einfachen Verhältnissen. Sie heiratet einen Deutschstämmigen, den sie nicht liebt, brennt mit einem attraktiven Windhund durch und bekommt zwei Kinder von ihm. Zusammen mit ihrem Bruder führt sie eine erfolgreiche Firma, die sich auf Fertighäuser spezialisiert hat. Vor allem nach Erdbeben machen sie gute Geschäfte. Der Sohn Juan driftet in die linke Szene ab und muss das Land verlassen. Die Tochter Nieves entwickelt sich zum Ebenbild des Vaters. Sie lebt unstet, gerät in die Drogenszene und bekommt einen Sohn, besagten Colito, dem Violeta später ihre Leben erzählt. Dann stirbt Nieves an den Folgen ihrer Sucht. Violeta übernimmt als Großmutter die Mutterrolle. Sie hat eine soziale Ader und tut viel Gutes. Im Coronajahr 2020 stirbt sie. Ein ambitionierter Roman, dem es recht gut gelingt, 100 Jahre Zeitgeschichte anschaulich zu machen.

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Geschichte Klima Politik

Stabiler Klimawandel

Zu den Schäden des Kriegs zählen nicht nur viele Tote, eine große Zahl von Flüchtenden, zerbombte Häuser, eine zerbrochene Infrastruktur, dazu der wachsende Hunger in den armen Ländern sowie steigenden Preise bei uns und anderswo, auch die dringend anstehenden Maßnahmen gegen den Klimawandel werden konterkariert. Die militärischen Aktionen pusten Riesenmengen von CO2 in die Luft. Vielleicht könnte das mal jemand ausrechnen? Russlands Kampf um imperiale Größe ist nicht nur für die Kriegstreiber teuer, auch der Rest der Welt hat hohe Kosten zu tragen. Die einen sterben an Hunger, die anderen spüren es im Geldbeutel. Das Klima geht währenddessen seinen Weg in Richtung Erwärmung, Zunahme von Extremwetter, Artensterben, steigendem Meeresspiegel. Ob das alles auch zu den Kriegszielen des Kreml-Herrschers zählt? Zuzutrauen ist es ihm. Es wird behauptet, dass der Hunger Teil der Kriegsstrategie ist. Schon einmal hat es P. geschafft, Millionen Menschen zum Flüchten zu bewegen, in Syrien. Wenn sich hungrige Afrikaner auf den Weg nach Europa machen, wird man in Moskau Jubelarien singen. Deren Ex-Präsident Medwedew hat verlauten lassen, in welchen Zeiträumen das Land denkt: In zwei Jahren, so seine Prognose, werde es die Ukraine nicht mehr auf der Landkarte geben. Aber den Klimawandel wird es mehr denn je geben. Russland, wir danken dir, dass du dazu beiträgst, die Menschheit in Angst und Schrecken zu versetzen! Denn erst nach der Apokalypse dürfte die Zeit für Demut und Handeln gekommen sein.