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Familienfeindliche Sturheit

Der grüne Minischerterpräsident verstand nicht einmal die Frage. Als ihn Jessy Wellmer im ARD extra auf die Probleme der Familien ansprach, die nun schon seit Wochen Homeoffice und Kinderbetreuung vereinbaren müssen und nun vielleicht wieder zur Arbeit gehen dürfen, die Kinder aber zu Hause lassen müssen, da blieb Herr K. stur: Nur wer in systemrelevanten Berufen arbeite, dürfe seine Kinder in die Notbetreuung der Kitas oder der Schulen geben. Wenn wir das für alle öffnen, die nicht wissen, wie sie Beruf und Kinderbetreuung vereinbaren sollen, weil Kitas und Grundschulen geschlossen sind, dann können wir die ja gleich wieder ganz öffnen. Genau, Herr K., das ist das Problem. Wer seiner Kinder wegen nicht zur Arbeit gehen kann, den Urlaub aber längst ausgeschöpft hat, muss sich arbeitslos melden. Ist das gemeint? Aber das widerspricht ja der politischen Parole, man wolle die Arbeitsplätze sichern. Das also sind die „Opfer“, die Familien bringen sollen: Verlust des Arbeitsplatzes, also finanzielle Einbußen, Kinder, denen Hospitalismus droht. Die naheliegende Lösung, das Zurückgreifen auf die Großeltern, ist ja ebenfalls sanktioniert. Da müsst ihr euch etwas einfallen lassen, verehrte Verantwortliche. Die kleinen Kinder müssen zurück in die Kitas, die Grundschulen wieder mit dem Unterricht beginnen. Natürlich unter erhöhten Sicherheitsauflagen. Aber die vorzubereiten hätten die Kommunen Zeit genug gehabt. Aber die hat man vertrödelt mit Bastelaktionen und läppischen YouTube-Ansprachen an das Volk. Heute wird gemeldet, die Reproduktionsziffer liege inzwischen bei 0,7. Ursprünglich hatte man von 1,0 geredet als dem Grenzwert, der Lockerungen ermögliche. Wie tief soll er noch sinken?

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Unterrichtsfreie Lehrzeit

Die Bund-Länder-Konferenz hat gestern stundenlang gerungen und ein paar Lockerungen auf den Weg gebracht. Man darf jetzt wieder Parfum kaufen und Bücher. Sogar die Bibliotheken dürfen wieder öffnen. Mal sehen, ob sie’s tun. Die Schulen werden noch einige Wochen geschlossen haben. Damit geht ein Feldversuch weiter, auf dessen Auswertung man gespannt sein darf. Sieben bis neun (oder gar zehn) Wochen ohne gemeinsamen Unterricht, das gab es bisher nicht einmal in den Sommerferien. Nach denen, das wissen Insider, haben viele Kinder viel vergessen, was dann mühsam wieder aktiviert werden muss. Wie werden sich die acht, neun oder zehn Wochen ausgewirkt haben? Wie unterschiedlich werden sich im Mai die Lernstände darstellen? Eine ganz besondere Herausforderung für die Lehrenden zeichnet sich ab: der Umgang mit einer noch stärkeren Heterogenität, als die bisher schon vorhandene. Denn machen wir uns nichts vor. Die Schulen wurden vom Virus in einer Phase erwischt, da die Digitalisierung allenfalls in den Anfängen steckte. Seit Wochen arbeitet man in den Lehrerzimmern oder im häuslichen Arbeitszimmer pädagogisch mit Notlösungen. Auch in der digitalen Pädagogik ist die Heterogenität groß: die Elternhäuser sind unterschiedlich gut (oder schlecht) für elektronischen Heimunterricht ausgestattet, in den Schulen sind die technischen Voraussetzungen höchst unterschiedlich und an erprobten didaktischen Modellen mangelt es. Der Schutz vor dem Virus (das Recht auf körperliche Unversehrtheit) ist das eine, das Recht auf Bildung und Ausbildung der Kinder das andere. Beides ist auszutarieren. Hier kollidieren zwei Grundrechte. Ob der gestern beschlossene Zeitrahmen dienlich ist, bezweifle ich. Was sicher ist: Die Schulen brauchen nach der Isolationsphase viel Unterrichtszeit. Warum also schlachtet man nicht die heilige Kuh Ferien. In BW stehen Pfingst-, Sommer und Herbstferien an. An allen könnte man kürzen. Es gibt kein Grundrecht auf eine bestimmte Feriendauer, aber einen Konsens der KMK hinsichtlich der Zahl der Unterrichtstage.

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Ersehnte Einheitlichkeit

Die Deutschen sehnen sich in der Krise (und wohl auch sonst) nach einem einheitlichen starken Willen, man könnte es auch Gleichbehandlung nennen. Aber ist das Gleiche in ungleichen Verhältnissen sinnvoll? Ein Blick auf die Welt „draußen“ macht jedem klar, dass nicht einmal das gleiche Virus für Gleichheit sorgt. Es erfasst die Länder unterschiedlich. Die Zahlenwelt der Johns Hopkins Universität zeigt das unwiderleglich. Jeder Staat entwickelt sich anders, jeder Staat verfolgt seine eigene Strategie. In Österreich muss man einen Meter Abstand halten, in Deutschland zwischen eineinhalb und zwei Metern. In der Türkei gibt es ein Ausgangsverbot nur an Wochenenden, in Schweden appelliert man an die Selbstdisziplin. In den USA schützt man die weißen Bürger besser als die schwarzen. Heute wird in Deutschland über das Lockern des Lockdown beraten. Italien und Österreich haben schon damit angefangen. Die Deutschen wollen auch dabei Einheitlichkeit. Aber dummerweise hat Corona die einzelnen Bundesländer unterschiedlich gepackt, zwischen den Daten der einzelnen Bundesländer liegen Welten. Wäre es nicht sinnvoll, auf unterschiedliche Gegebenheiten unterschiedlich, situationsgerecht zu reagieren? Oder geht es wieder zu wie beim Orkan unlängst, wo auch dort die Schulkinder zu Hause bleiben mussten, wo er nicht wütete. Einheitlichkeit ist nicht Freiheit, sondern „über einen Kamm scheren“. Warum sollten – zum Beispiel – die Bundesländer nicht unterschiedliche Modelle bei der Wiederaufnahme des Schulbetriebs umsetzen? Wo es keine Erfahrungen gibt, wäre das Prinzip „Versuch und Irrtum“ nicht das schlechteste. Wenn ein Land zu großzügig war und die Infektionszahlen steigen wieder, muss es eben nachsteuern. Der dümmste Satz in diesem Zusammenhang lautete dieser Tage: Wenn wir einen Fehler machen, führt das zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit der Politik. Umgekehrt ist es richtig: Wenn ihr zugebt, dass ihr nur „auf Sicht“ fahrt, glauben wir euch auch, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt. Aber wenn ihr uns glauben machen wollt, die Weisheit sei nur bei euch, die ihr die Macht habt, und nicht bei uns dummen Untertanen, dann reagieren wir bockig. Schon mal was von „Fehlerkultur“ gehört?