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Ungehemmtes Verordnen

Unstrittig ist – sofern man nicht das Vorhandensein des C-Virus überhaupt leugnen will –, dass die Zahl der Infektionen möglichst niedrig gehalten werden muss. Dabei geht es nicht, wie immer wieder beteuert wird, um den Schutz „Vulnerablen“, der Alten und Kranken, allenfalls indirekt. Es geht darum, das Gesundheitssystem nicht zu überfordern. Denn wäre es nicht mehr funktionsfähig, bekämen das alle zu spüren. Bekanntlich werden nicht nur Ältere schwer krank. Die Regierenden wählen zur Durchsetzung ihrer Maßnahmen die Verordnung, genauer die „Rechtsverordnung“. Sie kann ohne Parlament erlassen werden. Allerdings ist sie juristisch anfechtbar. Dabei haben die Gerichte zu prüfen, ob sie mit dem geltenden Recht im Einklang steht, ob sie verhältnismäßig und angemessen ist. Schon viele Verordnungen mussten gekippt werden, weil sie auf tönernen Füßen standen. Wenn sich die Bundeskanzlerin mit den Länder-Ministerpräsident*innen auf etwas einigt, hat das zunächst keinerlei Rechtskraft. Die entsteht erst, wenn die Landesregierungen das Vereinbarte in die Form von Verordnungen gießen und diese im Amtsblatt veröffentlicht. Danach sind sie von uns allen zu befolgen. Danach kann sie aber auch vor Gericht angefochten werden. Manchmal sagen die Gerichte ja zur Verordnung, manchmal nein. Man darf gespannt sein, wie es den neuen Regelungen, die ab 2. November gelten sollen, ergehen wird. Warum werden die Parlamente eigentlich nicht einbezogen? Weil es eilt? Oder weil es lästig und mühsam ist, die Volksvertreter zu überzeugen? Häckerling wundert sich nicht, dass sich die gewählten Vertreter allmählich fragen, wozu sie da sind. Auch wenn es pandemisch nachteilig sein mag, man muss sich fast wünschen, dass die Gerichte den Regierenden immer mal wieder zeigen, wie eine Demokratie funktioniert.

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Unvorbereitete Führung

Im Sommer schien alles vorüber zu sein. Die Zahl der Infektionen sank stetig. Die für Corona-Kranke bereitstehenden Betten konnten anderen (zurückgestellten) Zwecken zugeführt werden. Die „Querdenker“ konnten sich ausbreiten und ihre Thesen von der Harmlosigkeit des Virus verbreiten. Der Abstand zwischen den Menschen nahm ab, die Zahl der Veranstaltungen zu. Shopping wurde wieder möglich, sogar reisen konnte man. Nach den Ferien durften die Kinder wieder in die Schule und die Lehrkräfte mussten sich wieder leibhaftig und lebhaft mit ihnen auseinandersetzen. Nur im Hintergrund war ein Dauerton zu vernehmen: Es könnte eine „zweite Welle“ geben. In manchen Ländern gab es sie wirklich. Nun gehört es zum staatlichen Handeln, sich auf eventuell eintretende Ereignisse vorzubereiten. Häckerling hatte sich vorgestellt, dass in den Amtsstuben die Dienstbesprechungen sich mit just diesem Drohenden, aber hoffentlich nicht Eintretenden beschäftigen, dass man Pläne vorbereitet, die im Fall X (möge er nie kommen) in Kraft treten. Die Schüler*innen sollen in die Schule gehen, aber was, wenn dort Infektionen auftreten? Dann ist man digital besser als im Frühjahr vorbereitet und der Wechsel vom School-Schooling zum Home-Schooling klappt besser. Es gibt genügend Geräte; es gibt Programme und didaktische Konzepte. Wenn die Zahlen der Ansteckungen tatsächlich steigen sollten (was wir nicht hoffen), dann geschieht A, B und C. Und nun? Wider Erwarten ist die zweite Welle doch gekommen. Und wie sieht es mit den Plänen in der Schublade aus? Irgendjemand hat sie wohl verlegt. Die Gesundheitsämter arbeiten schon wieder am Limit. Zu wenig Mitarbeiter*innen, keine zulängliche technische Ausstattung? Die Zahlen für Erlaubtes (Familienfeiern, Beerdigungen, Veranstaltungen) und die Vorschriften für das Tragen von Masken haben etwas Kunterbuntes. Tag für Tag werden die Verordnungen geändert. Vermutlich blicken nicht einmal mehr jene durch, die sie verfassen. Rechtzeitige Vorbereitung auf den Ernstfall? Fehlanzeige.

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Lernende Schulverwaltung

Wer in einem Ministerium sitzt, in einem Büro mit eine oder zwei anderen zusammen, und eine Verordnung zur Maskenpflicht in den Schulen formulieren soll, braucht schon sehr viel Fantasie, um sich die Wirkung des Verordneten auf die Realität vorstellen zu können. Schüler*innen sitzen nicht in Büroräumen, sondern in Klassenzimmern. Sie betreten es durch eine Türe und kommen sich dabei nahe. Sie gehen gemeinsam durch Bankreihen, bis sie ihren Platz gefunden haben. Meistens sitzen sie neben anderen, denn 30 Lernende haben in einem Klassenraum amtlicher Größe nur begrenzt Platz. Insofern ist ein Mund- und Nasenschutz in der Anfangsphase einer Unterrichtsstunde nicht abwegig. Wenn man dann aber sitzt und schreibt und rechnet, die Hand hebt und eine Frage beantwortet, wenn man einen Text laut lesen soll – warum eigentlich nicht leise? –, kurz: wenn man sich verhält wie jemand, der lernt, ist dann die Maske noch sinnvoll? Wahrscheinlich schon, denn die Aerosole werden ungeniert durch den Raum geschickt. Aber dann soll man eine Klassenarbeit schreiben. Bekanntlich sitzt man dann ruhig an seinem Platz und denkt und schreibt. Wozu dabei einen MNS tragen? In Phasen der schriftlichen Leistungserhebung würde ich darauf verzichten. Und im Pausenhof? Angenommen, er ist so groß, wie es sich gehört, angenommen, die Kinder prügeln sich nicht, sondern verhalten sich gesittet, ein Vesperbrot in der Hand und eine Trinkflasche – warum da eine Maskenpflicht verlangen? Ein Unterrichtstag ist eine Abfolge unterschiedlichster Situationen. Sie zu imaginieren ist in einem Verwaltungsbüro sitzend schwierig. Vielleicht hätten die Verfasser*innen der Verordnung erst einmal einen Tag an einer Schule zubringen müssen, ehe sie sich ans Formulieren machten. So müssen sie nun nachträglich korrigieren – ein Verlust an Autorität.